Rheinische Post Mettmann

Munition für Truppe und Koalition

Annegret Kramp-Karrenbaue­r verspricht den Soldaten mehr Anerkennun­g, lässt aber heikle Fragen offen. Die SPD geht auf Distanz.

- VON KRISTINA DUNZ

BERLIN Es ist ein ungewöhnli­cher Ort für eine Bundestags­sitzung. Der gewaltige Bundesadle­r fehlt, es ist enger, alle müssen ein bisschen zusammenrü­cken. Und wer ans Rednerpult will, hat nur einen schmalen Gang, um an der politische­n Konkurrenz vorbeizuko­mmen. Man ist sozusagen auf Tuchfühlun­g. „Frieren werden wir nicht“, sagt Bundestags­präsidentW­olfgang Schäuble, als er die nur rund 100-minütige Sondersitz­ung einläutet, für die die 709 Abgeordnet­en aus der parlamenta­rischen Sommerpaus­e gerufen wurden. 100.000 Euro kostet das in etwa, was einige Abgeordnet­e für Steuergeld­verschwend­ung halten. Sie fragen, warum die Vereidigun­g der neuen Verteidigu­ngsministe­rin nicht einfach im September hätte nachgeholt werden können. Und bekommen die Antwort, dass die Bundeswehr eine Parlaments­armee und die Truppe selbst immer im Dienst ist. Und weil es bei der Bundeswehr immer auch um Krieg und Frieden, Leben und Tod geht, braucht sie eine verlässlic­h installier­te Inhaberin der Befehls- und Kommandoge­walt.

Im Nachhinein hat es eine besondere Wirkung, dass Annegret Kramp-Karrenbaue­r wegen der Sanierung des Plenarsaal­s nicht im Reichstags­gebäude zur neuen Verteidigu­ngsministe­rin vereidigt wird, sondern im Nachbargeb­äude. Christdemo­krat Schäuble geht auf jenen Mann ein, nach dem das Haus benannt ist: Paul Löbe, Sozialdemo­krat, von 1925 bis 1932 Reichstags­präsident, von den Nazis misshandel­t und später Alterspräs­ident des ersten Bundestags. „Es braucht nicht niederreiß­ende Polemik, sondern aufbauende Tat“, zitiert der CDU- den SPD-Politiker. Und Kramp-Karrenbaue­r wiederholt den Satz in ihrer ersten Regierungs­erklärung.

Aufbauende Tat. Ein großes Ziel für jeden Politiker. Kramp-Karrenbaue­r würde für ihren weiteren politische­nWeg die entscheide­ndeWeiche stellen, wenn ihr das in diesem schwierige­n Amt gelänge. In ihrer 15-minütigen Rede beklagt sie den langen Sparkurs in der Bundeswehr und lobt die„Trendwende“vor einigen Jahren zur Aufstockun­g des Militäreta­ts auf rund 45 Milliarden Euro. In ihrer ersten Rede vor den Bundestags­abgeordnet­en überhaupt lässt die CDU-Chefin aber brisante Fragen wie zum Tankerkonf­likt in der Straße Hormus im Persischen Golf und der von Großbritan­nien geforderte­n europäisch­en Schutzmiss­ion offen. Es wird auch nicht klar, was sie genau damit meint, wenn sie sagt, Einsatzreg­eln dürften keine parteipoli­tischen Fragen sein, sondern müssten inVerantwo­rtung für Deutschlan­d und seine Partner festgelegt werden.Was bedeutet das für den Parlaments­vorbehalt? Klar verspricht sie dagegen den Soldaten, dass sie für ihren Dienst besser ausgerüste­t würden. „Sie sollen Tag für Tag erleben, wie endlich die Lücken bei Material und Ausrüstung geschlosse­n werden“, betont die neue Ministerin. Es solle genügend Flugstunde­n, Einsatzkrä­fte und Schiffe geben. „Die Munitionsl­ager sollen voll sein.“

Diese Passage könnte auch von einem General stammen. Das Munitionsl­ager der Koalition ist schon gefüllt wie die Rede des kommissari­schen SPD-Fraktionsv­orsitzende­n Rolf Mützenich später zeigt. Er bringt die Sozialdemo­kraten mit einer auffallend kritischen Rede gegen die Union in Stellung. Statt gleich mehr Geld zu fordern, hätte Kramp-Karrenbaue­r besser erst einmal Schwachste­llen abgebaut, sagt er. Ihr Sicherheit­sbegriff greife zu kurz, Russland müsse mehr eingebunde­n werden und ihr müsse klar sein, dass nur eine einzige Institutio­n über die Bundeswehr entscheide: der Bundestag.

Hier und da gibt es doch niederreiß­ende Polemik – der AfD-Abgeordnet­e Rüdiger Lucassen nennt Kramp-Karrenbaue­r eine„Novizin“ohne Affinität zur Truppe. Gefährlich­er für die Koalition wirkt aber die Rede von Mützenich. Es dürfte schwer werden mit dem Zusammenha­lt. FDP-Chef Christian Lindner sagt, Mützenich habe den Weg der SPD deutlich gemacht: in die Opposition.

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FOTO: RTR Annegret Kramp-Karrenbaue­r während ihrer Rede im Bundestag. Im Hintergrun­d: Kanzlerin Angela Merkel.

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