Das Frauenbild der Frauen
Tina Hassels unangemessene Frage an Christian Lindner ist das Symptom eines größeren Problems: Frauen sprechen jungen Frauen, die mit älteren Männern liiert sind, Selbstrespekt und Stärke ab. Das muss sich ändern.
Die Empörung folgte prompt: AlsTinaHasselimARD-Sommerinterview FDP-Chef Christian Lindner die Frage stellt: „Vermögenssteuer oder gleichaltrige Freundin?“, fokussierte sich die Diskussion danach auf eben diese beiden Personen – Tina Hassel und Christian Lindner. Ihr wurde vorgeworfen, eine unverschämte Frage zu stellen, ihm wurde Beistand zugesprochen. Dabei ist es eine andere Person, um die es in der Debatte eigentliche gehen müsste.
Tina Hassels Frage war es nicht, sondern die der „Online-Community“. Es gehört zwar zu den Aufgaben redaktioneller Arbeit, nicht alles ungefiltert durchzulassen, doch die Redaktion entschied sich, diese Frage zu stellen. Lindner selbst konterte die unangemessene Frage angemessen souverän und enttarnte sie als „geschmacklos“. Doch eigentlich betraf die Frage Franca Lehfeldt.
Franca Lehfeldt ist 29 Jahre alt, Journalistin und mit dem 40-jährigen Christian Lindner liiert. Vermutlich sind es die gut zehn Jahre Altersunterschied, die ihn in den Augen mancher zu einem Schwerenöter und sie zu einer gesichtsund persönlichkeitslosen Kategorie reduzieren: die jüngere Freundin.
Es ist an sich schon problematisch, wenn Menschen kategorisiert werden. Statt Individuen zu sein, werden sie nur noch als Vertreter eines Oberbegriffs gesehen.
Doch ob mit einem Augenzwinkern oder nicht, die Frage nach der (zu?) jungen Freundin ist das Symptom eines größeren Problems: Jungen Frauen, die mit älteren Männern liiert sind, werden gern Selbstrespekt und Stärke abgesprochen. Sie seien schwach, nicht selbstbewusst, im Endeffekt nur das hübsche Anhängsel des starken, älteren Mannes, ein Püppchen sozusagen.
Viele kennen es aus dem Freundesund Bekanntenkreis: Wenn es in Beziehungen einen Altersunterschied gibt,
dann meistens der Form, dass die Frau etwas jünger ist als der Mann. Auch Gegenteiliges kommt vor und kennt seine prominenten Beispiele, doch bleibt das eher die Ausnahme. Evolutionspsychologen erklären das Interesse von Frauen an älteren Männern mit dem Wunsch nach langfristiger Bindung und ökonomischer Absicherung. Die können ältere Männer in vielen Kulturen eher bieten. Männer finden hingegen evolutionsbedingt jüngere Frauen im gebährfähigen Alter attraktiv.
Zum Glück muss sich eine Frau von heute zumindest in unseren Graden ihren Partner nicht mehr nach dem Kriterium suchen, wer sie am besten ernährt. Überhaupt kann man hoffen, dass, je weiter eine Zivilisation sich entwickelt, evolutionsbedingte Verhaltensmuster umso eher abgestreift werden können.
Doch die Anziehung zwischen dem mittelalten Mann und der jungen Frau scheint hartnäckig. Prominentestes Beispiel ist wahrscheinlich Leonardo DiCaprio. Mit welcher Frau der 44-jährige US-Schauspieler auch gerade zusammen ist, sie ist meistens Anfang oder Mitte 20 und Model. Da fragt sich manch eine Kolumnistin, welches Licht es auf einen erwachsenen Mann wie ihn wirft, dass er noch nie mit einer Frau über 25 liiert war.
Es muss, so viel sei über die Antwort auf diese rhetorische Frage verraten, ein schlechtes Licht sein. Denn das kunterbunte Potpourri der Vorurteile und Anmaßungen, das einem Paar mit Altersunterschied entgegenschlagen kann, ist gigantisch: Es gebe, so die Meinung vieler Feministinnen, ein automatisches Machtgefälle zwischen einer jungen Frau und einem Mann jenseits der 30. Und nein, wenn die Frau selbst erfolgreich, klug oder sogar ein Star ist, hilft das nicht: Das Machtgefälle trotzt jedem noch so emanzipatorischem Schritt aus der selbstverschuldeten Unmündigkeit.
Und falls man Männern unterstellen wollte, sie zögen junge Frauen wegen ihres jugendlichen Körpers vor – eine
„Jungen Frauen, die mit älteren Männern liiert sind, wird gern Selbstrespekt und Stärke abge
sprochen“