Rheinische Post Mettmann

Mit Buddys durchs erste Semester

An der Heinrich-Heine-Uni gibt es ein neues Hilfsprogr­amm für Studierend­e aus Nichtakade­miker-Familien.

- VON ISABELLE DE BORTOLI

DÜSSELDORF Die ersten Tage an der Hochschule sind schon verwirrend genug: Neue Leute, neue Umgebung, neue Anforderun­gen. Doch wenn man dann auch noch nie von Tutorien, Einführung­swochen und Modulhandb­üchern gehört hat, mit der Finanzieru­ng des Studiums kämpft und überhaupt der erste aus der Familie ist, der an der Uni lernt, dann ist es doppelt schwer. Deshalb hat die Heinrich-Heine-Uni Düsseldorf das neue Programm „1stGenerat­ion@HHU“ins Leben gerufen, bei dem Erst- und Zweitsemes­ter-Stu

„Ich hätte gerne jemanden gehabt, der mir auf Augenhöhe Tipps geben

kann“Marie-Luise Hebestreit Senior-Buddy und Doktorandi­n

dierende von Buddys aus höheren Semestern unterstütz­t werden.

Das neue Programm reagiert auf eine weiterhin bestehende Einstiegsh­ürde für das Studium von Kindern aus Nichtakade­miker-Familien: Gemäß des Hochschulr­eports 2020 des Stifterver­bandes nehmen von 100 Grundschül­ern aus solchen Familien später nur 21 ein Studium auf, wohingegen es bei Akademiker­familien 74 von 100 Kindern sind. Die erfahrenen Senior-Buddys kommen dabei oft selbst aus Familien, in denen sie die Ersten sind, die ein Studium aufnehmen. Entspreche­nd teilen sie die Erfahrunge­n der neuen Studierend­en.

Marie-Luise Hebestreit ist eine der acht Senior-Buddys, die jeweils einen Junior-Buddy bei seinem Einstieg ins Studium unterstütz­en. Sie promoviert inzwischen in Chemie und war in ihrer Familie selbst die erste, die studiert. „Ich habe es am Anfang nicht leicht gehabt, habe das Fach gewechselt. Ich hätte gerne jemanden gehabt, der mir auf Augenhöhe Tipps geben kann.“Auch für Chiara Kunkel lief der Studienein­stieg nicht optimal: „Ich konnte durch das Nachrückve­rfahren erst verspätet in mein Studium starten und habe dadurch alle Einführung­sveranstal­tungen verpasst. Ich musste mir also alles selbst heraussuch­en und mich am Campus und im Studium zurechtfin­den.“Zudem finanziert sich die 26-Jährige das Anglistik-Studium mit einem Kellner-Job. „Die Finanzieru­ngsfrage ist gerade für Studierend­e aus Nichtakade­miker-Familien ein Problem“, sagt Anna Hollstegge von der Koordinier­ungsstelle Diversity der Heine-Uni, die das Projekt betreut. „Die Eltern können sie in vielen Fällen nicht unterstütz­en. Zudem verstehen sie häufig nicht, was die Kinder mit einem Studium anfangen wollen. Gerade wenn es nicht auf klare Berufsbild­er wie Arzt oder Anwalt hinausläuf­t.“

Mit ihrer Studienerf­ahrung helfen die Buddys den Jüngeren mit vielen Tipps rund um das Unileben und geben ihnen das Gefühl, nicht allein zu sein. „Ziel ist es, den Junior-Buddys den Studiensta­rt und das Studium zu erleichter­n und ihnen die vielseitig­en Unterstütz­ungsangebo­te auf dem Campus vorzustell­en. Ein schöner Nebeneffek­t ist dabei, dass sich engagierte Persönlich­keiten vernetzen und sich gegenseiti­g bis zum erfolgreic­hen Abschluss unterstütz­en können“, sagt der Prorektor für Strategisc­hes Management und Chancenger­echtigkeit, Professor Klaus Pfeffer. Außerdem erhalten die Senior-Buddys ein Zertifikat über ihren Einsatz, das Bewerbunge­n um Jobs und Stipendien bereichern kann.

Mit ihren Junior-Buddys kommunizie­ren Marie-Luise, Chiara und die anderen übrigens oft über WhatsApp, es gibt aber auch Treffen und gemeinsame Veranstalt­ungen. „Eine Frage, die wirklich alle beschäftig­t, ist die, wie man eine Hausarbeit schreibt“, sagt Buddy Fabian Gümüsdagli, der Psychologi­e im Master studiert. „Da herrscht eine große Unsicherhe­it und Angst davor, etwas falsch zu machen. Meinem Junior-Buddy hat zum Beispiel auch noch nie jemand erklärt, wie man ein Referat sinnvoll strukturie­rt. Dabei helfe ich ihm.“Durch das Projekt erhalten die Studienan

fänger das geballte Schwarmwis­sen der erfahrenen Buddys und außerdem Infos zu Angeboten auf dem Campus, wie etwa Workshops zum Thema „Wissenscha­ftliches Schreiben“oder das Sozialrefe­rat des Astas, das rund um Studienfin­anzierung und Bafög berät.

Die wichtigste­n Tipps der Buddys für Erstsemste­r lauten übrigens: „Es kann durchaus mal richtig schwierig werden mit dem Studieren. Gerade auch wenn man zweifelt, ob das Studium das richtige ist. Man sollte auf jeden Fall den Mut haben, Hilfe anzunehmen. Man muss es nicht alleine schaffen“, sagt Marie-Luise Hebestreit. Fabian Gümüsdagli rät, sich intensiv damit zu beschäftig­en, welche Fächer man wirklich belegen muss, Stichwort Modulhandb­uch. „Sonst will ich nachher eine Prüfung machen, habe aber gar nicht die nötigen Kurse dafür gemacht. Aber Spaß haben sollte man natürlich auch“, sagt er.

Das findet auch Chiara Kunkel: „Man sollte die Studienzei­t genießen.Wichtig ist auch zu wissen: Man muss nicht in der Regelstudi­enzeit fertig werden. Viele Arbeitgebe­r schätzen auch, wenn man nebenbei gearbeitet hat oder sich ehrenamtli­ch engagiert hat.“Also genau so wie die Buddys es tun.

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LE DE BORTOLI ?? Chiara Kunkel, Marie-Luise Hebestreit und Fabian Gümüsdagli (v.l.) helfen als Buddys Studierend­en aus Nicht-Akademiker­familien bei der Orientieru­ng im ersten Studienjah­r.
FOTO: ISABEL- LE DE BORTOLI Chiara Kunkel, Marie-Luise Hebestreit und Fabian Gümüsdagli (v.l.) helfen als Buddys Studierend­en aus Nicht-Akademiker­familien bei der Orientieru­ng im ersten Studienjah­r.

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