Ein neuer Master für Spione
50 Nachwuchs-Agenten studieren in Berlin „Geheimdienst- und Sicherheitsstudien“.
BERLIN (dpa) Luisa W. ist 29, seit zehn Jahren arbeitet sie beim Bundesnachrichtendienst (BND). Die junge Frau hat Analysen im Bereich islamistischer Terrorismus geschrieben, als Agentin im Ausland gearbeitet und auch in einer Stabsstelle in der BND-Zentrale. Seit kurzem ist sie eine von 50 Studierenden im geheimsten Masterstudiengang Deutschlands: „Intelligence and Security Studies“(MISS) nennt sich das neue Projekt – „Geheimdienst- und Sicherheitsstudien“. Am 1. Juli hat das Kernstudium am Rande des hochgesicherten BND-Neubaukomplexes mitten in Berlin begonnen.
Luisa W. und ihre Kommilitonen sind keine Studenten, wie sie sonst in den Hörsälen sitzen. Zum neuen Masterstudium sind nur Mitarbeiter der Geheimdienste oder Bundeswehrsoldaten zugelassen, die vor allem im militärischen Nachrichtendienst eingesetzt sind und deswegen Schnittpunkte zur Arbeit der Geheimdieste haben. Wenn die jungen Frauen und Männer in ihre hochmodernen Hörsäle wollen, müssen sie sich durch spezielle Sicherheitsschleusen in das Gebäude an der Berliner Chausseestraße zwängen. Zugang erhält ohnehin nur, wer die schärfste Sicherheitsüberprüfung bestanden hat, die es für deutsche Geheimdienste und Behörden gibt: Ü3. Die gilt für Personen, die Zugang zu als „streng geheim“eingestuften Akten oder Daten haben. Nicht nur das persönliche Umfeld wird dabei überprüft, zusätzlich werden auch Referenzpersonen befragt.
Im Kanzleramt hat man vor etwa vier Jahren angefangen, den Studiengang zu planen. Er ist auch Konsequenz aus den Skandalen, die es damals etwa beim BND gegeben hat – zum Beispiel den recht laxen Umgang mit der Überwachung elektronischer Kommunikation und weltweiter Datenströme.
Kanzleramtschef Helge Braun sieht in dem Studiengang einen „zentralen Beitrag zur Professionalisierung unserer Nachrichtendienste“. BND-Präsident Bruno Kahl sagte, mit dem Studiengang entstehe der „wichtigste Ausbildungshub der deutschen Geheimdienst-Gemeinschaft“.
23 Professoren bilden die Nachwuchs-Spione in Berlin weiter, fünf sind es in München. Insgesamt neun neue Professuren sind für den Studiengang eingerichtet worden, sagt Jan-Hendrik Dietrich von der Hochschule des Bundes (HS Bund). Vor allem Juristen, Psychologen, Politologen, Historiker und Islamwissenschaftler sind darunter.
Von den 50 Studierenden, die in den neu eingerichteten Räumen in Berlin ihr Studium aufgenommen haben, kommen 30 aus der Bundeswehr, zehn aus dem BND, sechs aus dem Bundesamt für Verfassungsschutz und drei aus Landesämtern für Verfassungsschutz. In den kommenden Jahren soll die Zahl der Studierenden auf bis zu 80 steigen.
Im sechsmonatigen Grundstudium in München gibt es eine Einführung in die Geheimdienstarbeit. Die Studenten müssen sich mit ethischen Fragen wie Menschenrechten und Sicherheit befassen und mit technischen Fragen der Digitalisierung. Im Hauptstudium können sie unter Modulen wählen, die vor allem an der Geheimdienstpraxis ausgerichtet sind. Es gibt ein voll eingerichtetes Studio, in dem die Studenten üben können, wie sie richtig und einfühlsam mit menschlichen Quellen umgehen. Im Modul „Cyber Security“zeigen bei den Geheimdiensten angestellte Hacker, was alles im Dienst des Staates möglich ist. Weitere Themen auf dem Lehrplan sind die Abwehr von Cyber-Angriffen, politischer Extremismus, Terrorismusbekämpfung und -forschung.
LuisaW. sieht den neuen Studiengang als Chance. „Ich möchte noch besser werden bei meiner Arbeit“, sagt sie. Dazu sei mehrWissen in der Theorie und Praxis nötig. Schon als Abiturientin habe sie gewusst, dass sie Agentin werden wolle, sagt die junge Frau. Was macht den Reiz einer Arbeit aus, von der aus Sicherheitsgründen nur die engsten Familienangehörigen wissen dürfen? „Für mich war immer klar: Ich möchte einen Job haben, bei dem ich mir sicher bin, dass ich jeden Tag etwas tue, das Bedeutung hat.“