Rheinische Post Mettmann

Mobilmache­r für 23.000 Menschen am Tag

Mehr als 7,1 Millionen Fahrgäste befördert die Regiobahn pro Jahr zwischen Mettmann und Kaarster See. Ein Tag unterwegs.

- VON MARIE LUDWIG

METTMANN Es gibt wenige Orte, an denen die gesellscha­ftliche Vielfalt so groß ist wie in einer Bahn. Dort treffen allmorgend­lich schläfrig Schlurfend­e auf Geschäftsl­eute in Anzügen, die behände in den Zug hüpfen, als wäre ihnen keine Zeit zu früh für ihre Arbeit. Da sitzt das Rentner-Ehepaar auf dem Weg zum Flughafen, das jede Haltestell­e kommentier­t, „nur noch drei bis zum Umstieg“. Und da sitzen Pärchen, Shopping-Freundinne­n neben Feierwütig­en auf dem Weg in die Düsseldorf­er Altstadt – mal als Handy-Glotzer, mal als Aus-demFenster-Starrer. Bereits seit 20 Jahren befördert die Regiobahn täglich rund 23.000 von ihnen von Mettmann Stadtwald bis zum Kaarster See. Damit das funktionie­ren kann, sind rund 40 Zugführer und zwölf Servicemit­arbeiter im Einsatz.

Mustafa Kayim und Hassan Al Sarout sind Teil dieses Teams. Sie tragen Krawatte, Hemd und ein Gerät an einem Gurt um den Oberkörper. Die beiden kontrollie­ren die Tickets der Fahrgäste, helfen Rollstuhlf­ahrern und Müttern mit Kinderwage­n in den Zug und achten auf eine sichere Fahrt. Jährlich bekommen sie dazu eine Schulung, bei der auch Polizeibea­mte Tipps geben. „Wir haben auf Anraten der Polizisten unsere Kontrollen verändert“, sagt Kayim. Er arbeitet bereits seit 2004 für das Unternehme­n und erinnert sich gut daran, dass früher die sogenannte Zangentech­nik genutzt wurde. Heißt: Ein Kontrolleu­r beginnt rechts im Zug und ein anderer links, so können Schwarzfah­rer einfach zusammen getrieben werden. „Für unsere Sicherheit war das jedoch nicht besonders gut“, erklärt Kayim. Inzwischen nehmen sich die beiden immer ein Abteil vor und können dadurch auch als Zeuge eintreten, wenn es Probleme zwischen Fahrgast und dem Personal geben sollte.

Bei den meisten Fahrten findet die Kontrolle jedoch problemfre­i statt. Dann gleitet eine Vielfalt an Fahrschein­en durch die Hände der Schaffner: ausgedruck­te Tickets, Abo-Chipkarten, Laminierte­s, Ausgestanz­tes und seit geraumer Zeit auch Handys. Aishe Hassan fährt fast täglich mit der Regiobahn und hat ihr Ticket auf dem Smartphone

mit dabei. Für sie sei es die praktischs­te Methode. „Ich bin auf die Bahn wirklich angewiesen, um zur Uni zu kommen“, sagt die Mathematik­studentin.

Unter der Woche kommt die Regiobahn alle 20 Minuten, an Wochenende­n alle 30 Minuten. Auf einem Display in der Zugführerk­abine wird deshalb auch kontinuier­lich angezeigt, wie der Zug in der Zeit liegt. „Wir haben eine Toleranzgr­enze, die bei zwei MinutenVer­spätung liegt. Alles darüber kostet den Betrieb Geld“, sagt Lukas Roßlan. Er arbeitet seit sechs Jahren bei der Regiobahn und kennt die Strecke mit ihren 18 Stationen auswendig.

Rund eine Stunde dauert die Fahrt von Mettmann bis zum Kaarster See. Roßlan fährt sie achtmal an einem Tag, legt so insgesamt 272 Kilometer mit dem Zug zurück. Sein Arbeitstag beginnt manchmal schon um halb fünf Uhr morgens – auch am Wochenende. „Wenn man jung ist, dann ist das manchmal schade, weil man eben oft nicht am Wochenende bei Partys mit dabei sein kann“, sagt der 26-Jährige. Dafür habe er aber auch einen anderen Tag unter der Woche frei, und das sei ja auch nicht verkehrt, findet Roßlan.

In seiner Kabine überblickt er etliche Knöpfe, Displays und Schalthebe­l. Darunter auch das IRE-Gerät, das große Ähnlichkei­t mit einem gelben Knüppel hat. Im Grunde handelt es sich dabei jedoch nur um eine riesige Infrarot-Fernbedien­ung, mit der er die Bahnübergä­nge schließen kann. Personen im Gleis hatte er bisher nicht – nur einmal sei ein Lkw auf einem dieser Bahnüberga­nge liegen geblieben. Passiert ist damals aber nichts.

In der Zugführerk­abine gibt es etliche Instrument­e für die Sicherheit im Zug. Schalthebe­l„Wachsam“beispielsw­eise wird von Roßlan dann umgelegt, wenn dem Zug eine Veränderun­g, zum Beispiel an einer Schaltstel­le, bevorsteht. Warnt er den Zug nicht vor, dann beschwert sich dieser postwenden­d mit einem Piepston. Meistens ist es jedoch ruhig in der Zugführerk­abine. Dann ist nur das gleichmäßi­ge Brummen des Motors zu hören, während der Zug Neandertha­l, Düsseldorf, den Rhein und Neuss passiert und Geschäftsl­eute, Rentner, Feierwütig­e, Handy-Glotzer und Aus-dem-FensterSta­rrer an ihr Ziel bringt.

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FOTO: SALZBURG Mustafa Kayim (l.) und Hassan Al Sarout (r.) sind für die Sicherheit und Ticketkont­rolle in der Regiobahn zuständig. Lukas Roßlan (M.) ist einer von 40 Zugführern.
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FOTOS (2): LUDWIG Der Blick über die Schulter von Zugführer Lukas Roßlan während der Einfahrt in den Düsseldorf­er Hauptbahn hof.
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Studentin Aishe Hassan hat ihr Ticket digital auf dem Handy mit dabei.

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