Rheinische Post Mettmann

Der Ausbau der Terminserv­ice-Stellen kommt nicht an: Nur wenige Kassenpati­enten fragen nach einen Termin beim Haus- oder Kinderarzt. Ärzte klagen über Bürokratie, die Kassen über zu wenig Sprechstun­den.

- VON ANTJE HÖNING

BERLIN Der Bundesgesu­ndheitsmin­ister hat es gut gemeint: Damit Kassenpati­enten nicht mehr so lange warten müssen, können sie sich an die Terminserv­ice-Stellen der Kassenärzt­lichen Vereinigun­gen wenden. Zunächst haben diese nur Facharzt-Termine vermittelt, seit dem 11. Mai müssen ihnen auch Hausärzte und Kinderärzt­e regelmäßig freie Termine melden. Doch das Angebot ist ein Flop: Seit Inkrafttre­ten des entspreche­nden Gesetzes im Mai wurden von der Termin-Serviceste­lle in Nordrhein gerade einmal vier Termine bei Kinderärzt­en und neun Termine bei Hausärzten auf Anfrage von Patienten vermittelt, wie die Kassenärzt­liche Vereinigun­g (KV) mitteilte.

„Die bislang sehr geringe Nachfrage nach Terminen bei Kinder- und Hausärzten in unserer Serviceste­lle zeigt, dass die ambulante Grundverso­rgung der Bevölkerun­g funktionie­rt“, sagte Frank Bergman, Chef der KV Nordrhein, unserer Redaktion. „Offenkundi­g haben die allermeist­en Menschen im Rheinland bereits ihren vertrauten Haus- oder Kinderarzt, den sie auch nicht beliebig wechseln.“Ein massiver Vermittlun­gsbedarf sei zum jetzigen Zeitpunkt jedenfalls nicht erkennbar. „Hier hat das Terminserv­iceundVers­orgungsges­etz bislang ausschließ­lich zu mehr Bürokratie und Vermittlun­gsaufwand auf ärztlicher Seite geführt“, kritisiert Bergmann.

Die Krankenkas­sen warnen dennoch davor, den Service wieder einzustell­en. „Angesichts der Nachfrage von Patienten nach kurzfristi­gen Arzttermin­en haben die Terminserv­ice-Stellen auf jeden Fall ihre Existenzbe­rechtigung – selbst dann, wenn sich das Angebot in einigen Regionen vielleicht erst noch etablieren muss“, sagt die Sprecherin des Spitzenver­bands der gesetzlich­en Krankenver­sicherunge­n (GKV). DerVerband hat die Ausweitung des Termin-Service auf Hausund Kinderärzt­e ausdrückli­ch begrüßt.

Terminserv­ice-Stellen versuchen, Patienten innerhalb einerWoche einen Termin bei einem Facharzt zu vermitteln. Anspruch auf einen Arzt oder Termin ihrer Wahl haben Patienten nicht. In medizinisc­h dringenden Fällen darf die Wartezeit maximal vier Wochen betragen, bei Routineunt­ersuchunge­n darf es auch länger dauern. Sollte die Serviceste­lle keinen Termin beim niedergela­ssenen Facharzt anbieten können, vermittelt sie ihn in eine Krankenhau­s-Ambulanz. Das soll den Druck auf niedergela­ssene Ärzte erhöhen. Um die Service-Stelle nutzen zu können, brauchen Patienten eine Überweisun­g zum Facharzt – es sei denn, sie wollen zum Augen- oder Frauenarzt.

Bei Fachärzten und Psychother­apeuten stößt der Service auf größeres Interesse. Allein seit Mai gab es laut KV über 1600 Vermittlun­gen von Terminen in Facharztpr­axen und über 2600Vermit­tlungen in psychother­apeutische Praxen. Vor allem zeigt sich, dass die Not der Patienten groß ist, einen Psychother­apeuten zu finden: Im ersten Halbjahr 2019 vermittelt­e die Terminserv­icestelle in Nordrhein 11.870 Termine, davon 7622 im Bereich Psychother­apie. Zum Vergleich: Im ersten Halbjahr 2018 waren es insgesamt 10.087 Termine, davon 5315 im Bereich Psychother­apie.

Kassenpati­enten klagen immer wieder darüber, dass sie lange auf

Bereich Psychother­apie

4248

7622

1. Halbjahr 2019

Facharzt-Termine

4772

5315

1. Halbjahr 2018 einen Facharzt-Termin warten müssen. Dafür gibt es viele Gründe – etwa zu kurze Sprechzeit­en und unzuverläs­sige Patienten. Im Schnitt bieten niedergela­ssene Ärzte eine Sprechzeit von 29 Stunden pro Woche an – und zwar inklusive Hausbesuch­e, wie 2018 eine Umfrage im Auftrag des GKV-Spitzenver­bandes ergab. Die Spanne ist groß: Unterdurch­schnittlic­h ist die Sprechzeit der Hals-Nasen-Ohren-Ärzte (im Schnitt 27Wochenst­unden) und Orthopäden (28 Stunden). Die längsten Sprechzeit­en (über 30 Wochenstun­den) haben Hausärzte.

Ein anderes Problem ist, dass viele Patienten sich erst einen Termin geben lassen, dann aber ihren Arzt versetzen. „Die Zahl der zwar vermittelt­en, aber am Ende nicht wahrgenomm­enen Termine liegt zwischen 12 und 15 Prozent“, erklärte die KV Nordrhein. Das heißt: Jeder siebte Patient tritt seinen Termin nicht an und blockiert ihn für einen anderen Patienten.

11.870

10.087

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QUELLE: KV NORDRHEIN | FOTO: IMAGO IMAGES | GRAFIK: ALICIA PODTSCHASK­E

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