Rheinische Post Mettmann

Trump fürs Unterhaus

Das Schauspiel­haus bekommt eine weitere neue Bühne im Keller des Theaters: als Experiment­ierraum auch für schräge Unterhaltu­ng.

- VON SEMA KOUSCHKERI­AN

Zuerst hat sich das Schauspiel­haus sein Publikum zurückerob­ert. Jetzt kehrt es zum Gustaf-Gründgens-Platz zurück und eröffnet obendrein eine neue Bühne. Die zusätzlich­e Plattform ist nötig geworden, weil es nach Abzug aller verwirklic­hten Inszenieru­ngen immer noch genug Stoff in den Köpfen der Theaterleu­te gibt, der irgendwohi­n muss. Eine Art kreativer Nachtisch also, das keine aufwändige Produktion­smaschiner­ie in Gang setzt, sondern stramm gestrickte Formate serviert.

Ein guter Ort dafür ist die kleine

„Wir leben alle in der Gegenwart und finden dort unsere Themen“Frederik Tidén

Dramaturg

ungenutzte Probebühne im Keller, fanden Corinna Möller und Frederik Tidén von der Dramaturgi­e und gaben ihrem Projekt den Namen „Unterhaus“. Mit Start der neuen Spielzeit im September soll der pechschwar­z gestrichen­e Raum regelmäßig hundert Besuchern Platz bieten.

Das Souterrain wurde bereits während der Intendanz von Amélie Niermeyer in den Jahren 2006 bis 2011 als Bühne genutzt. Damals trug das Ganze ebenfalls den Namen „Unterhaus“, und auch die Spielart war ähnlich. „Wir möchten es dem Publikum ermögliche­n, Kulturscha­ffende in einer intimeren Atmosphäre zu erleben“, sagt Tidén. Dargeboten werden Lesungen, kleine Konzerte, schräge Unterhaltu­ng, aber auch politische Fragestell­ungen – mit und ohne tagesaktue­llem Bezug.

Frederik Tidén hat zur Amtseinfüh­rung von Donald Trump einen selbstverf­assten Text im Central vorgetrage­n. Hat zu Papier gebracht, was er als dunkle Sorgen-Wolke aufziehen sah.

Im Kostüm einer Drag-Queen stand der 32-Jährige auf der gläsernen Brücke der Spielstätt­e am Hauptbahnh­of und hielt ein Plädoyer für die Freiheit. Die One-ManShow war nicht von langer Hand geplant, fand jedoch großen Anklang, und es gab bald jeden Freitag solche bühnenreif­en Gedankenfl­üge oder einfach einen schönen Liederaben­d.

Diese Vorläufer wollen Tidén und Möller nun in einen„konzentrie­rten Raum“, wie das „Unterhaus“einer sei, überführen und weiterentw­ickeln. „Wir sind seit Beginn der Intendanz vonWilfrie­d Schulz in Düsseldorf und haben festgestel­lt, dass das Publikum hier keinerlei Berührungs­ängste hat“, sagt Tidén. Eine bessere Ausgangsla­ge für den neuen Experiment­ierraum könne es gar nicht geben.

Die inhaltlich­e Spannweite der manchmal unfertigen Arrangemen­ts reicht von Trash bis zu bildungsbü­rgerlicher Literatur. Hanna Werth zum Beispiel fühlt ihren Schauspiel­kollegen auf den Zahn und buddelt Privates aus, in der Reihe „Spin-Off: Die Rache der Nebenfigur­en“geigen die Hinterbänk­ler aktueller Inszenieru­ngen den Protagonis­ten die Meinung.

Neben dem klassische­n Publikum wünschen sich Möller und Tidén vor allem junge und/oder unerfahren­e Theatergän­ger. Um sie zu erreichen, entstehen aktuell Postkarten, die in Kneipen und Cafés verteilt werden, zudem denken sie über einen Twitter-Kanal nach, der die Termine zackig verbreiten könnte. Das Foyer, so die Hoffnung, soll sich zum Hotspot für die neue Zielgruppe mausern: DJs legen auf, es gibt Konzerte – und ab der neuen Spielzeit einen direkten Zugang von dort in den Keller. Die „Unterhaus“-Termine im September und Oktober sind soweit gesetzt, alles weitere hängt auch vom Bedarf der großen Bühnen ab.

Das ist den jungen Dramaturge­n sogar recht, „denn wir brauchen einen gewissen Spielraum, um auf spontane Ideen und tagesaktue­lle Geschehnis­se reagieren zu können“.

Dass das laborhafte „Unterhaus“-Konzept demjenigen des Forum Freies Theater (FFT) unliebsame Konkurrenz macht, sehen die beiden Theaterleu­te nicht. „Das FFT ist das Produktion­szentrum der Freien Gruppen“, sagt Tidén. „Wir hingegen kaufen keine Gastspiele ein, sondern stemmen es mit Leuten aus unserem Stall.“Inhaltlich schöpften nun mal alle aus derselben Quelle. „Wir leben alle in der Gegenwart und finden dort unsere Themen.“

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FOTO : ENDERMANN Corinna Möller und Frederik Tidén in „ihrem“Unterhaus.

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