Rheinische Post Mettmann

Der Stolz der Kaiserswer­ther

Ein Streifzug durch den geschichts­trächtigen Düsseldorf­er Stadtteil Kaiserswer­th mit Fährfahrt, einem Hinkelstei­n und zwei alten Kaisereich­en. Dabei war der idyllische Ort mal Schauplatz einer Entführung.

- VON JULIA BRABECK (TEXT) UND JANA BAUCH (FOTOS)

DÜSSELDORF Die Sonne scheint auf die Ruine der Kaiserswer­ther Pfalz, auf dem Rhein ziehen Schiffe vorbei, und auf der Rheinuferp­romenade fahren munter plauschend zwei Radfahrer entlang. Kaum zu glauben, dass dieser romantisch­e Ort der Schauplatz eines brutalen Verbrechen­s, einer Kindesentf­ührung war, dank dem Kaiserswer­th bis heute in den Geschichts­büchern steht.

Zugegeben, die ganze Geschichte liegt schon etwas zurück, genauer gesagt 963 Jahre, ist aber deshalb nicht weniger spannend. Damals hat Heinrich der Dritte den Königshof, der sich auf der damaligen Rheininsel Kaiserswer­th befand, zu einer Pfalz ausbauen lassen. Als der Kaiser starb, war sein einziger Sohn Heinrich fünf Jahre alt. Deshalb regierte seine Mutter Agnes in seinem Namen. Das missfiel aber einigen Reichsfürs­ten, die unter ihrem Anführer, dem Kölner Erzbischof Anno, das verhindern wollten. Mit einem mit Gold und Silber geschmückt­en Schiff fuhren sie nach Kaiserswer­th und lockten mit der prachtvoll­en Ausstattun­g den inzwischen elfjährige­n König an Bord, der nach Köln verschlepp­t und dort festgehalt­en wurde, bis er volljährig war.

Die Kaiserpfal­z, die später von Kaiser Barbarossa neu gebaut wurde, gehört wegen ihrer bewegten Geschichte zu den beliebtest­en Orten, die von Besuchern des ältesten urkundlich erwähnten Viertels von Düsseldorf aufgesucht werden. Dessen 1300-jährige Geschichte ist bis heute noch an jeder Ecke des historisch­en Ortskerns rund um den Kaiserswer­ther Markt spürbar. „Wer diese Geschichte verstehen will, sollte am besten seinen Rundgang am Stadtmodel­l am Klemenspla­tz beginnen. Dort kann man sehen, wie Kaiserswer­th um 1700 aufgebaut war, woWege und die Befestigun­gsmauern verliefen“, sagt Jan Hinnerk Meyer. Der Architekt lebt seit mehr als 20 Jahren in Kaiserswer­th und ist zudem der Vorsitzend­e des Fördervere­ins Kaiserpfal­z.

Sein Tipp ist auch, sich Kaiserswer­th erst einmal langsam von außen zu nähern. Das geht, indem man zunächst den Stadtteil regelrecht umkreist, denn dort, wo früher ein Rheinarm den Ort zur Insel werden ließ, verläuft heute ein hübscher Grünzug. Dieser führt an der alten Bastionsma­uer entlang und durch Wiesen und endet an der bei Spaziergän­gern und Radfahrern gleicherma­ßen beliebten Rheinuferp­romenade. Dort stehen viele Bänke, von denen man aus einen Blick auf den Fluss genießen kann.

Hervorrage­nd geht es das auch bei einer Fahrt mit der kleinen Autofähre „Michaela II“auf die andere Rheinseite – und später wieder zurück. Das Schiff schaukelt, die Fahnen wehen, und die Möwen kreischen. „Das ist jedes Mal wie ein kleiner Kurzurlaub“, sagt Meyer. Zudem bietet die Fähre die Gelegenhei­t, das hübsche Panorama des Ortes mit ausreichen­d Abstand zu betrachten. Wer will, der kann gegenüber von Kaiserswer­th seinen Kurzurlaub auch verlängern. Dort gibt es einen richtigen kleinen Sandstrand und eine kleine Strandbar. Nur Baden sollte man dort nicht. Wenn Schiffe vorbei ziehen entstehen gefährlich­e Strudel, die auch geübte Schwimmer unterWasse­r ziehen können.

Von der Fährenfahr­t zurück kann der Ausflügler danach durch die schmalen Gassen durch den historisch­en Ortskern schlendern, in dem es an jeder Ecke etwas zu entdecken gibt. Dabei wird der Fremde aber nicht alleine gelassen. Die Kaiserswer­ther sind stolz auf ihren Stadtteil und beantworte­n gerne Fragen. Zudem gibt es einen ausgeschil­derten Rundweg durch das rund einen halben Quadratkil­ometer große historisch­e Areal. Hinweistaf­eln weisen an 24 Stellen auf besondere Gebäude, Denkmäler, Plätze und auf das älteste Kulturdenk­mal in Düsseldorf, einen Menhir, hin. Das ist eine Art zwei Meter langer Hinkelstei­n, der aus der Jungsteinz­eit (5000 bis 1800 vor Christus) stammt.

Verpassen sollte der Besucher keinesfall­s den Stiftsplat­z. Dieser zählt wegen seiner ruhigen Lage und seiner geschlosse­nen Bebauung zu den schönsten Plätzen des Niederrhei­ns. Die Gebäude stammen größtentei­ls aus der ersten Hälfte des 18. Jahrhunder­ts, der Zeit des Wiederaufb­aus nach der Zerstörung von Kaiserswer­th während des Spanischen Erbfolgekr­ieges 1702. Die meisten Häuser wurden von den Stiftsherr­en erbaut. Mehrere Wappen und Inschrifte­n an den Fassaden geben hiervon Kenntnis. Sie stehen unter Denkmalsch­utz ebenso wie die dortige Suitbertus-Basilika. Diese wurde ab dem Jahr 1050 errichtet. In ihr befindet sich der kostbare Suitbertus­schrein, in dem seit 1264 die Gebeine des Heiligen Suitbertus, dem Gründer von Kaiserswer­th, aufbewahrt werden.

Friedrich Spee gehört zu den bekanntest­en Kaiserswer­ther Persönlich­keiten. Er wurde dort 1591 geboren und war ein deutscher Jesuit. Spee wurde besonders als Kritiker der Hexenproze­sse bekannt, aber auch seine Kirchenlie­der erfreuen sich bis heute großer Beliebthei­t, darunter das Weihnachts­lied „Zu Bethlehem geboren“. Zu seinem 400. Geburtstag widmete man ihm 1991 eine große Bronzeskul­ptur mit Szenen aus seinem Leben, die an der Ostseite der Kaiserswer­ther Basilika ihren Platz fand. Geschaffen hat das Werk der bekannte Düsseldorf­er Künstler Bert Gerresheim.

Und noch ein Kaiserswer­ther, Theodor Fliedner, hat in Kaiserswer­th überall seine Spuren hinterlass­en. Der evangelisc­he Theologe hat 1836 das weltweit erste Diakonisse­n-Mutterhaus gründete, welches heute eines der ältesten diakonisch­en Unternehme­n im Gesundheit­s-, Sozial- und Bildungswe­sen in Deutschlan­d ist. Das Stammhaus steht heute noch am Kaiserswer­ther Markt und wird als Seniorenhe­im genutzt. 1903 zog aber die Diakonie aus dem historisch­en Ortskern fort und siedelte sich am Ortsrand an. Das 50 Hektar große Diakoniege­lände mit seiner parkähnlic­hen Anlage mit Rosengänge­n und altem Baumbestan­d und den hübschen alten Gebäuden lädt zu einem Spaziergan­g ein. Dort stehen auch zwei so genannte Kaisereich­en, die vom Enkel Fliedners, Julius Disselhoff, zum 80. und 90. Geburtstag seiner Majestät am 22. März des Jahres 1877 und 1887 gepflanzt wurden.

„Kaiserswer­th ist ein geschichts­trächtiger, aber auch sehr lebendiger Ort mit einer hohen Lebensqual­ität, der für jeden etwas bietet“, sagt Meyer. Das könne man beispielsw­eise schon an der Gastronomi­e ablesen. „Vom Berliner Imbiss bis hin zum Sternerest­aurant Schiffchen ist alles vertreten.“Viele der Gaststätte­n gruppieren sich rund um den Klemenspla­tz und den Kaiserswer­ther Markt, an denen auch viele hübsche inhabergef­ührte Läden liegen. Hier kann das pralle Leben genossen werden, während nur wenige Schritte entfernt den Besuchern die

Stille umfängt.

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Die Kaiserpfal­z, von Barbarossa einst wieder aufgebaut, lag früher auf einer künstlich angelegten Rheininsel.
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In der Suitbertus-Basilika liegen die Gebeine des Heiligen Suitbertus, dem Gründer von Kaiserswer­th.
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Unter einem grünen Dach geht es an der Burgallee, dem Deich von Kaiserswer­th, entlang.
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Jan Hinnerk Meyer ist Vorsitzend­er des Fördervere­ins Kaiserpfal­z.
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