Der Stolz der Kaiserswerther
Ein Streifzug durch den geschichtsträchtigen Düsseldorfer Stadtteil Kaiserswerth mit Fährfahrt, einem Hinkelstein und zwei alten Kaisereichen. Dabei war der idyllische Ort mal Schauplatz einer Entführung.
DÜSSELDORF Die Sonne scheint auf die Ruine der Kaiserswerther Pfalz, auf dem Rhein ziehen Schiffe vorbei, und auf der Rheinuferpromenade fahren munter plauschend zwei Radfahrer entlang. Kaum zu glauben, dass dieser romantische Ort der Schauplatz eines brutalen Verbrechens, einer Kindesentführung war, dank dem Kaiserswerth bis heute in den Geschichtsbüchern steht.
Zugegeben, die ganze Geschichte liegt schon etwas zurück, genauer gesagt 963 Jahre, ist aber deshalb nicht weniger spannend. Damals hat Heinrich der Dritte den Königshof, der sich auf der damaligen Rheininsel Kaiserswerth befand, zu einer Pfalz ausbauen lassen. Als der Kaiser starb, war sein einziger Sohn Heinrich fünf Jahre alt. Deshalb regierte seine Mutter Agnes in seinem Namen. Das missfiel aber einigen Reichsfürsten, die unter ihrem Anführer, dem Kölner Erzbischof Anno, das verhindern wollten. Mit einem mit Gold und Silber geschmückten Schiff fuhren sie nach Kaiserswerth und lockten mit der prachtvollen Ausstattung den inzwischen elfjährigen König an Bord, der nach Köln verschleppt und dort festgehalten wurde, bis er volljährig war.
Die Kaiserpfalz, die später von Kaiser Barbarossa neu gebaut wurde, gehört wegen ihrer bewegten Geschichte zu den beliebtesten Orten, die von Besuchern des ältesten urkundlich erwähnten Viertels von Düsseldorf aufgesucht werden. Dessen 1300-jährige Geschichte ist bis heute noch an jeder Ecke des historischen Ortskerns rund um den Kaiserswerther Markt spürbar. „Wer diese Geschichte verstehen will, sollte am besten seinen Rundgang am Stadtmodell am Klemensplatz beginnen. Dort kann man sehen, wie Kaiserswerth um 1700 aufgebaut war, woWege und die Befestigungsmauern verliefen“, sagt Jan Hinnerk Meyer. Der Architekt lebt seit mehr als 20 Jahren in Kaiserswerth und ist zudem der Vorsitzende des Fördervereins Kaiserpfalz.
Sein Tipp ist auch, sich Kaiserswerth erst einmal langsam von außen zu nähern. Das geht, indem man zunächst den Stadtteil regelrecht umkreist, denn dort, wo früher ein Rheinarm den Ort zur Insel werden ließ, verläuft heute ein hübscher Grünzug. Dieser führt an der alten Bastionsmauer entlang und durch Wiesen und endet an der bei Spaziergängern und Radfahrern gleichermaßen beliebten Rheinuferpromenade. Dort stehen viele Bänke, von denen man aus einen Blick auf den Fluss genießen kann.
Hervorragend geht es das auch bei einer Fahrt mit der kleinen Autofähre „Michaela II“auf die andere Rheinseite – und später wieder zurück. Das Schiff schaukelt, die Fahnen wehen, und die Möwen kreischen. „Das ist jedes Mal wie ein kleiner Kurzurlaub“, sagt Meyer. Zudem bietet die Fähre die Gelegenheit, das hübsche Panorama des Ortes mit ausreichend Abstand zu betrachten. Wer will, der kann gegenüber von Kaiserswerth seinen Kurzurlaub auch verlängern. Dort gibt es einen richtigen kleinen Sandstrand und eine kleine Strandbar. Nur Baden sollte man dort nicht. Wenn Schiffe vorbei ziehen entstehen gefährliche Strudel, die auch geübte Schwimmer unterWasser ziehen können.
Von der Fährenfahrt zurück kann der Ausflügler danach durch die schmalen Gassen durch den historischen Ortskern schlendern, in dem es an jeder Ecke etwas zu entdecken gibt. Dabei wird der Fremde aber nicht alleine gelassen. Die Kaiserswerther sind stolz auf ihren Stadtteil und beantworten gerne Fragen. Zudem gibt es einen ausgeschilderten Rundweg durch das rund einen halben Quadratkilometer große historische Areal. Hinweistafeln weisen an 24 Stellen auf besondere Gebäude, Denkmäler, Plätze und auf das älteste Kulturdenkmal in Düsseldorf, einen Menhir, hin. Das ist eine Art zwei Meter langer Hinkelstein, der aus der Jungsteinzeit (5000 bis 1800 vor Christus) stammt.
Verpassen sollte der Besucher keinesfalls den Stiftsplatz. Dieser zählt wegen seiner ruhigen Lage und seiner geschlossenen Bebauung zu den schönsten Plätzen des Niederrheins. Die Gebäude stammen größtenteils aus der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts, der Zeit des Wiederaufbaus nach der Zerstörung von Kaiserswerth während des Spanischen Erbfolgekrieges 1702. Die meisten Häuser wurden von den Stiftsherren erbaut. Mehrere Wappen und Inschriften an den Fassaden geben hiervon Kenntnis. Sie stehen unter Denkmalschutz ebenso wie die dortige Suitbertus-Basilika. Diese wurde ab dem Jahr 1050 errichtet. In ihr befindet sich der kostbare Suitbertusschrein, in dem seit 1264 die Gebeine des Heiligen Suitbertus, dem Gründer von Kaiserswerth, aufbewahrt werden.
Friedrich Spee gehört zu den bekanntesten Kaiserswerther Persönlichkeiten. Er wurde dort 1591 geboren und war ein deutscher Jesuit. Spee wurde besonders als Kritiker der Hexenprozesse bekannt, aber auch seine Kirchenlieder erfreuen sich bis heute großer Beliebtheit, darunter das Weihnachtslied „Zu Bethlehem geboren“. Zu seinem 400. Geburtstag widmete man ihm 1991 eine große Bronzeskulptur mit Szenen aus seinem Leben, die an der Ostseite der Kaiserswerther Basilika ihren Platz fand. Geschaffen hat das Werk der bekannte Düsseldorfer Künstler Bert Gerresheim.
Und noch ein Kaiserswerther, Theodor Fliedner, hat in Kaiserswerth überall seine Spuren hinterlassen. Der evangelische Theologe hat 1836 das weltweit erste Diakonissen-Mutterhaus gründete, welches heute eines der ältesten diakonischen Unternehmen im Gesundheits-, Sozial- und Bildungswesen in Deutschland ist. Das Stammhaus steht heute noch am Kaiserswerther Markt und wird als Seniorenheim genutzt. 1903 zog aber die Diakonie aus dem historischen Ortskern fort und siedelte sich am Ortsrand an. Das 50 Hektar große Diakoniegelände mit seiner parkähnlichen Anlage mit Rosengängen und altem Baumbestand und den hübschen alten Gebäuden lädt zu einem Spaziergang ein. Dort stehen auch zwei so genannte Kaisereichen, die vom Enkel Fliedners, Julius Disselhoff, zum 80. und 90. Geburtstag seiner Majestät am 22. März des Jahres 1877 und 1887 gepflanzt wurden.
„Kaiserswerth ist ein geschichtsträchtiger, aber auch sehr lebendiger Ort mit einer hohen Lebensqualität, der für jeden etwas bietet“, sagt Meyer. Das könne man beispielsweise schon an der Gastronomie ablesen. „Vom Berliner Imbiss bis hin zum Sternerestaurant Schiffchen ist alles vertreten.“Viele der Gaststätten gruppieren sich rund um den Klemensplatz und den Kaiserswerther Markt, an denen auch viele hübsche inhabergeführte Läden liegen. Hier kann das pralle Leben genossen werden, während nur wenige Schritte entfernt den Besuchern die
Stille umfängt.