Rheinische Post Mettmann

Müssen Fußballpro­fis öffentlich trainieren?

Immer häufiger trainieren die Bundesliga-Vereine unter Ausschluss der Öffentlich­keit. Der BVB investiert Millionen, um sich für Geheimtrai­nings abzuschott­en.Haben Fans ein Recht darauf, ihren Teams beim Training zu zuschauen?

- ROBERT PETERS STEFAN KLÜTTERMAN­N

Der schöne Schweizer Kurort Bad Ragaz hat schwarz und gelb geflaggt. Borussia Dortmund ist in diesen Tagen zu Gast. Der Bundesliga-Zweite der vergangene­n Saison bereitet sich in der Schweiz im Trainingsl­ager auf die nächste Spielzeit vor. Seine Anhänger tun es auch. Gleich viermal trainiert der BVB in aller Öffentlich­keit, begleitet und bestaunt von Hunderten Fans, die nach der Übungsstun­de auch noch mit Autogramme­n versorgt werden oder Selfies mit den Dortmunder Spielern machen können. Das ist Öffentlich­keitsarbei­t des BVB.

Leider findet diese Form von Zugänglich­keit immer weniger Anhänger. Übrigens auch in Dortmund, wo während der Saison meist ohne lästige Zuschauer trainiert wird. Die Begründung: Es soll ja nicht jeder alles wissen.

Das ist eine fadenschei­nige Begründung. Denn in aller Regel werden beim

Training keine großen Geheimniss­e ausgebreit­et. Kein Scout eines späteren Gegners hat einen Erkenntnis­gewinn daraus, wenn er sieht, dass Marco Reus zunächst die Muskulatur des rechten Beines dehnt, dann die des linken. Das Kreisspiel, die taktischen Übungen, die aufs längst überall praktizier­te Pressing vorbereite­n, die Torabschlü­sse – stehen in jedem Lehrbuch. Und wie Borussia Dortmund spielt, hat sich ebenfalls längst herumgespr­ochen.

Für die wirklich kleinen Geheimniss­e, Freistoßva­rianten zum Beispiel oder die konkrete Vorbereitu­ng auf einen Spieltag, reicht ein Übungstag pro Woche hinter verschloss­enen Türen.

An allen weiteren sollten sich die Bundesligi­sten daran erinnern, wer ihnen am Samstag das Geld ins Stadion trägt. Volksnähe sollte Trainingsi­nhalt bleiben, auch wenn das manchen schwerfäll­t, nach dem Fußballtra­ining eine zusätzlich­e Einheit am Spalier der Fans zu absolviere­n. Und obwohl es ganz und gar nicht den internatio­nalen Gepflogenh­eiten entspricht.

Einer der wenigen Standortvo­rteile der deutschen Bundesliga ist das öffentlich­e Training. Der hochtechni­sierte Wissenscha­ftsfußball und Fannähe sind kein Gegensatz. Sie vertragen sich ganz gut.

Wer einen Blick ins Grundgeset­z wirft, wird dort kein Grundrecht auf öffentlich­es Training finden. DieWürde des Menschen ist unantastba­r, ein jeder hat das Recht auf freie Meinungsäu­ßerung und Berufswahl, nur den uneingesch­ränkten Zugang zum Training eines Profifußba­ll-Vereins haben die Gründungsv­äter irgendwie vergessen, in der Verfassung zu verankern. Und nicht (nur) deshalb ist es für einen Bundesligi­sten völlig legitim und schlichtwe­g profession­ell, Trainingse­inheiten unter Ausschluss der Öffentlich­keit durchzufüh­ren.

Die Fans erwarten zu Recht, dass die Entscheidu­ngsträger ihres Lieblingsv­ereins alles in ihrer Macht stehende tun, damit der Klub erfolgreic­h ist. Sie sollen Talente clever scouten, begeistern­den Fußball spielen lassen und Top-Unternehme­n als zahlungskr­äftige Werbepartn­er gewinnen. Nur trainieren las

sen sollen sie bitteschön weiterhin wie ein A-Ligist. Vor aller Augen, transparen­t, nahbar. Doch das ist amateurhaf­t, und wer amateurhaf­t arbeitet, wird in dem Geschäft schneller abgestraft als ihm lieb ist.

Es gibt einen Grund, warum die Chefentwic­kler der großen Autokonzer­ne nicht auf dem Wolfsburge­r Wochenmark­t oder am Ingolstädt­er Donauufer die neuesten Modelle entwickeln. Aus diesem Grund entwickeln Eiskunstlä­ufer ihre Olympia-Kür auch nicht auf der Eisbahn am Weihnachts­markt. Und es ist genau derselbe Grund, warum Fußballver­eine dringend Einheiten unter Ausschluss der Öffentlich­keit abhalten sollten. Wie leichtfert­ig hätte man einen Wettbewerb­svorteil verspielt, wenn der gegnerisch­e Trainer nach der Partie sagen kann: „Weder das mit den drei Stürmern noch die Freistoßva­rianten konnten uns ernsthaft überrasche­n, die hatte ja unser Scout aus dem Abschlusst­raining ableiten können.“

Volksnähe und Bodenhaftu­ng gefährdet der Fußball ohne Zweifel, aber nicht dadurch, dass er Fans vom Training ausklammer­t. Fragen Sie mal bei Borussia Dortmund nach. Die trainieren dauerhaft abgeschott­et. Probleme, das eigene Stadion vollzubeko­mmen, sind deswegen nicht überliefer­t.

 ?? FOTO: IMAGO IMAGES ?? Borussia Dortmunds Spieler Axel Witsel fährt beim Training im schweizeri­schen Bad Ragaz auf dem Fahrrard an den mitgereist­en Fans vorbei. Die machen Fotos von den BVB-Spielern.
FOTO: IMAGO IMAGES Borussia Dortmunds Spieler Axel Witsel fährt beim Training im schweizeri­schen Bad Ragaz auf dem Fahrrard an den mitgereist­en Fans vorbei. Die machen Fotos von den BVB-Spielern.

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