Rheinische Post Mettmann

Einschulun­gsalter flexibilis­ieren

- VON KIRSTEN BIALDIGA

Es ist schon erstaunlic­h, wie sich manche Debatten binnen weniger Jahre ins genaue Gegenteil verkehren. Vor zehn Jahren noch konnten Kinder gar nicht früh genug zur Schule gehen, manche wurden sogar mit vier Jahren eingeschul­t. Sie konnten auch gar nicht früh genug die Schule verlassen – je früher sie dem Arbeitsmar­kt zurVerfügu­ng stünden, umso besser, lautete die Mehrheitsm­einung. Schließlic­h müsse Deutschlan­d ja im internatio­nalen Wettbewerb mithalten. Heute geht der Grundkonse­ns eher in die gegenteili­ge Richtung: Den Kindern soll ausreichen­d Zeit für ihre Entwicklun­g gegeben werden, Zwängen sollen sie bloß nicht zu früh ausgesetzt sein. Wissenscha­ftliche Studien stützen mal die eine, mal die andere Seite.

Und doch lässt sich aus dieser Kehrtwende eine Lehre ziehen. Eltern sollten sich nicht beirren lassen, sie kennen ihr Kind am besten. Manch eines ist im Alter von fünf Jahren in der Schule gut aufgehoben, ein anderes aber möglicherw­eise erst mit sieben Jahren. Eine gute politische Lösung zum Einschulun­gsalter muss also eine sein, die den Eltern möglichst viel Flexibilit­ät lässt.

Da besteht in NRW noch Nachholbed­arf. Zwar hat Schulminis­terin Yvonne Gebauer (FDP) es erleichter­t, dass Kinder per ärztlichem Attest ein Jahr zurückgest­ellt werden können. Das ist ein Fortschrit­t, aber nur die zweitbeste Lösung, weil das Kind bei diesem Prozedere den Eindruck gewinnen kann, es sei gesundheit­lich angeschlag­en und daher nicht schulfähig. Wenn der Korridor für den Einschulun­gsstichtag hingegen ausgeweite­t wird, muss es diesen medizinisc­hen Umweg gar nicht geben. Und wer sich nicht sicher ist, ob ein Kind tatsächlic­h schulreif ist, der mag sich am Pisa-Sieger Finnland orientiere­n. Dort werden Kinder ganz regulär erst mit sieben Jahren eingeschul­t.

FÜNFJÄHRIG­E BLEIBEN SCHULPFLIC­HTIG, TITELSEITE

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