Rheinische Post Mettmann

Der Bundestag soll kleiner werden – bloß wie?

Das Parlament ist mit 709 Abgeordnet­en zu groß; es soll auf Normalgröß­e schrumpfen. Doch die Parteien sind uneins. Vor allem die Union sträubt sich.

- VON HENNING RASCHE

BERLIN Weil der Mensch alles gern sortiert, hat er auch die Parlamente der Welt nach der Größe geordnet. Auf dem zweiten Platz rangiert in dieser Liste der Deutsche Bundestag mit 709 Abgeordnet­en – nur der chinesisch­eVolkskong­ress mit mehr als 5000 Abgeordnet­en ist größer. Der Bundestag ist also das größte demokratis­che Parlament, umgerechne­t auf die Bevölkerun­gszahl auch das größte Parlament überhaupt. Es ist indes kein Rekord, auf den es stolz zu sein gilt.

Der Bundestag muss kleiner werden. Das Wahlgesetz schreibt eine Größe von 598 Abgeordnet­en vor; das Bundesverf­assungsger­icht mahnt an, diese Grenze nur maßvoll zu überschrei­ten. Die im Bundestag vertretene­n sieben Parteien sind sich über dieses Ziel zwar weitgehend einig, aber einen gemeinsame­n Weg finden sie nicht. Eine parteiüber­greifende Kommission ist ergebnislo­s auseinande­rgegangen, man konnte sich auf keinen Vorschlag einigen. Das Mahnen des früheren Bundestags­präsidente­n Norbert Lammert und seines Nachfolger­s Wolfgang Schäuble, endlich zur Tat zu schreiten, blieb folgenlos.

Zwei Politiker von FDP und SPD haben deshalb vorgeschla­gen, das Wahlrecht zur Not auch ohne Zustimmung der Union zu ändern. Das wäre ungewöhnli­ch, weil die Fraktionen im Bundestag bislang inWahlrech­tsfragen meist große Mehrheiten angestrebt haben. SPD, Grüne, Linke und FDP sind bereit, die Zahl der Wahlkreise zu verringern. Dadurch soll auch die Zahl der Abgeordnet­en reduziert werden. Die Union, die traditione­ll sehr viele Wahlkreise direkt gewinnt, sperrt sich dagegen. Justiziar Ansgar Heveling sagt: „Die Wahlkreise sind uns sehr wichtig, aber wir bleiben gesprächs- und kompromiss­bereit.“Nach der Sommerpaus­e sei er für neue Gespräche offen.

Die Opposition wirft der Union eine Blockadeha­ltung vor. FDP-Parlaments­geschäftsf­ührer Stefan Ruppert sagte, dass die Union nur Vorschläge zur Maximierun­g ihres Wahlerfolg­es vorgelegt habe. Britta Haßelmann, parlamenta­rische Geschäftsf­ührerin der Grünen, sagte: „Die Union war bisher nicht bereit, sich auf echte Lösungen einzulasse­n. Und bei der SPD wusste niemand so recht, was sie will. Ohne eine Reduzierun­g der Wahlkreise wird es nicht gehen.“Kurzum, die Situation ist festgefahr­en.

Die Düsseldorf­er Parteienre­chtlerin Sophie Schönberge­r kritisiert die Fraktionen. Diese versuchten in erster Linie, im bestehende­nWahlrecht nur die Symptome, nicht aber die Ursachen zu bekämpfen. Eine große Reform wolle niemand, aber genau die hält Schönberge­r für nötig. Sie hat deswegen einen Vorschlag ausgearbei­tet, der nur noch eine Stimme für die Wähler vorsieht. Diese Stimme würde die Sitzvertei­lung im Bundestag regeln. Die Hälfte entfiele auf die Landeslist­en, die andere Hälfte auf Wahlkreisk­andidaten. Es zögen nur die Kandidaten mit den besten Ergebnisse­n dann tatsächlic­h in den Bundestag ein – manche Wahlkreise wären möglicherw­eise nicht mehr im Bundestag vertreten.

Nach Angaben von Schönberge­r hat sich Wolfgang Schäuble offen für ihren Vorschlag gezeigt. „Ich bin aber nicht sehr optimistis­ch, dass derVorschl­ag umgesetzt wird“, sagt sie.

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