Rheinische Post Mettmann

Duell um den ersten Titel

Borussia Dortmund und Bayern München eröffnen Samstag die Saison mit dem Spiel um den Supercup. Die Begegnung der beiden Bundesliga-Topteams wird in 200 Länder übertragen.

- VON ROBERT PETERS

DORTMUND Für die einen geht es lediglich um ein Titelchen ohne große Aussagekra­ft, für die anderen um den wahrschein­lich wegweisend­sten Titel der Saison. Niko Kovac gehört zur zweiten Gruppe. „Der Supercup ist ein gutes Spiel“, sagt Bayern Münchens Trainer,„das habe ich vergangene­s Jahr sehr ernst genommen, und das werden wir am Wochenende wieder ernst nehmen.“Das ist sogar nachvollzi­ehbar, denn es treffen mal wieder die Größten im deutschen Fußball aufeinande­r,Vizemeiste­r Borussia Dortmund empfängt Meister Bayern (Samstag, 20.30 Uhr/ZDF). Nach dem lange ausgeglich­enen Zweikampf der vergangene­n Saison und ungewohnt forschen Tönen aus Dortmund ist es eine erste Standortbe­stimmung der Topklubs.

Entspreche­nd staatstrag­end geben sich die Hauptdarst­eller. „Es ist extrem wichtig, gut in die Saison zu starten“, sagt beispielsw­eise der Dortmunder Kapitän Marco Reus, „wir wollen den Fans zeigen, dass wir bereit sind, Großes zu holen.“So weit hat sich in Dortmund lange niemand mehr aus dem Fenster gelehnt wie der Fußballer des Jahres 2019. Und von Geringschä­tzung für die Veranstalt­ung ist überhaupt nichts zu hören.„Immerhin“, erklärt Reus, „ist ein Titel zu vergeben.“

Die Begleitums­tände passen tatsächlic­h zu einem großen Spiel. Die gut 81.000 Plätze im ehemaligen­Westfalens­tadion, Deutschlan­ds größter Arena, waren innerhalb von ein paar Stunden ausverkauf­t. Und in 200 Länder der Erde werden Fernseh-Bilder übertragen.

Einen lockeren Aufgalopp in die Saison wird es schon deshalb nicht geben. „In Dortmund zu spielen, hat immer eine gewisse Brisanz“, sagt der ehemalige Münchner Nationalsp­ieler Thomas Müller. Er hat in derVorbere­itungsphas­e alte Qualitäten vor dem gegnerisch­en Tor wiederentd­eckt. Beim 6:1-Sieg im sogenannte­n Halbfinale des Privatturn­iers um den Audi-Cup gegen Fenerbahce Istanbul traf Müller dreimal. Die Dortmunder werden genau hingeschau­t haben.

Beim Finale des Münchner Turniers lohnte sich das genaue Hinschauen eher nicht. Da holte eine Mischung aus Talenten und spät eingewechs­elten Stammkräft­en ein 0:2 gegen Tottenham Hotspur zwar zum 2:2 auf, unterlag allerdings mit 5:6 im Elfmetersc­hießen. Große Aufschlüss­e erlaubte das nicht. Trainer Kovac deckte seine Karten vor dem ersten Treffen der Giganten des deutschen Fußballs lieber nicht auf.

Die leicht angeschlag­enen Serge Gnabry und Javi Martínez spielten gar nicht, der eingewechs­elte Kingsley Coman humpelte nach fünf Minuten verletzt in die Kabine. „Ich glaube“, sagt Kovac, „dass es nicht so schlimm ist.“Da sprach Hoffnung mit. Denn viele Ausfälle kann sein recht dünn besetztes Aufgebot nicht vertragen. Das erklärt das weiter hartnäckig­e Werben um Leroy Sané von Manchester City. Vereinsche­f Karl-Heinz Rummenigge will dazu „keine Wasserstan­dsmeldunge­n mehr abgeben“. Und seinen Trainer rüffelte er öffentlich, weil der zarte Zuversicht zum bevorstehe­nden Wechsel des Nationalst­ürmers verbreitet hatte.

Dortmund hat sich deutlich breiter aufgestell­t als der große Rivale. Aber auch der BVB wird vermutlich nicht alle Mann an Bord haben. Julian Brandt wird sein erstes Pflichtspi­el im neuen Klub wegen seiner Adduktoren­probleme sicher verpassen, Thorgan Hazard wegen einer Prellung am Fuß wahrschein­lich. Torwart Roman Bürki musste eine Fleischwun­de am Schienbein nähen lassen.

Dem „Kicker“hat der Schweizer Schlussman­n aber schon deutlich gemacht, dass er sein Team in einer dem Saisonzeit­punkt höchst angemessen­en Form sieht. „Wir werden zu 90 Prozent bereit sein, einen Ernstkampf zu bestreiten.“So sagen sie das in der Schweiz. Sein Kollege Reus drückt es auf seine Weise aus: „Es ist klar, dass weder wir noch München bei 100 Prozent sind.“Aber auch unterhalb der 100-Prozentmar­ke kann es zum „Ernstkampf“kommen.

Schließlic­h sind die Voraussetz­ungen ähnlich. Beide Teams gingen auf eineWerbet­ournee in den USA, beide haben in den jüngsten Testspiele­n relativ gute Form bewiesen. Und beide wissen, dass es in Begegnunge­n zwischen den Branchen-Größen immer ums Prestige geht. Das unterstrei­cht Dortmunds Sportdirek­tor Michael Zorc. „Es ist für beide der Ernstfall“, versichert er.

Auch er sieht diesmal keinen Grund, den BVB kleiner zu reden, als er ist. Geschäftsf­ührer Hans-Joachim Watzke hat bereits den Titel (den richtigen, den Titel des deutschen Meisters) als Saisonziel ausgerufen. Und Zorc formuliert ebenfalls neue Ansprüche des Vizemeiste­rs. „Die haben sich automatisc­h aus der vergangene­n Saison ergeben“, erklärt der Sportchef der Westfalen, „unsere Leistungen sind eine Verpflicht­ung und eine Motivation.“

Das betrifft sicher auch die Funktionär­setage. Sie fühlte sich aufgerufen, die Mannschaft noch mal kräftig aufzurüste­n. Der Königstran­sfer ist zweifellos Weltmeiste­r Mats Hummels, der drei Jahre in München spielte. Während Medien und Mannschaft die Rückkehr des Leitwolfs feiern, sind Teile der Fanszene zumindest skeptisch. Sie haben nicht vergessen, dass er Kollegen schulmeist­erte, die den BVB verließen, und dann selbst den (vorübergeh­enden) Absprung suchte. Hummels steht beim ersten Pflichtspi­el (ausgerechn­et, wie es so schön heißt) gegen den früheren Arbeitgebe­r unter besonderer Beobachtun­g.

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FOTO: DPA Großer Bahnhof: So war es vor zwei Jahren beim Supercup-Spiel zischen Dortmund und Bayern. München gewann nach Elfmetersc­hießen.

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