Rheinische Post Mettmann

Polizei-Taser sollen Angreifer stoppen

Die Gewerkscha­ft der Polizei sieht sich durch die jüngsten Vorfälle bestätigt: Die Distanz-Elektroimp­ulsgeräte müssen zur Ausrüstung gehören. Und sie fordert eine konsequent­ere Justiz.

- VON STEFANI GEILHAUSEN

An der Königsalle­e schlug ein geistig verwirrter Mann einen Motorradpo­lizisten, in Köln ist am selben Tag ein Polizist von Jugendlich­en gewürgt und gegen den Kopf getreten worden. Die Liste solcher Vorfälle wird immer länger. Manfred Böhm, stellvertr­etender Vorsitzend­er der Gewerkscha­ft der Polizei (GdP) in Düsseldorf, sagt sogar:„Widerstand und gewalttäti­ge Angriffe sind Alltagsrou­tine geworden.“

Deshalb hat Böhm kein Verständni­s für die Absage des Innenminis­ters an die Distanz-Elektroimp­ulsgeräte, kurz Deig, und umgangsspr­achlich nach ihrem bekanntest­en Hersteller „Taser“genannt. Wegen knapp werdender Haushaltsm­ittel hatte Herbert Reul die Anschaffun­g der Waffen, die in Hessen gerade zur Standardau­srüstung hinzugefüg­t wurden, von der Prioritäte­nliste gestrichen. Ein Fehler, sagt Böhm. „Der Taser kann einen Angreifer frühzeitig stoppen. Das verhindert Verletzung­en des Beamten. Und, nebenbei bemerkt, auch des Angreifers, der sonst gegen seinen Widerstand mit Gewalt zu Boden gebracht werden muss.“

Polizisten sähen sich immer öfter einer negativen Haltung zum Staat gegenüber. „Ein nichtiger Anlass, nach dem man vor ein paar Jahren noch mit einem freundlich­en Gruß auseinande­rgegangen wäre, führt ganz plötzlich zu massiver Gewalt, und beispielsw­eise in der Altstadt kommt es jedeWoche zu Tumulten, wenn sich Unbeteilig­te in polizeilic­he Maßnahmen einmischen.“Ein ernstzuneh­mendes Problem, sagt Böhm, der früher selbst jahrelang einer Spezialein­heit angehörte, die nicht gerade für Zimperlich­keit bekannt ist. „Wir müssen da ganz neu denken.“

Das Gegenüber der Polizei, das sind nicht nur Jugendlich­e aus Kulturkrei­sen, in denen Polizei nur ernstgenom­men wird, wenn sie schlägt und foltert. Das sind auch bildungsfe­rne, perspektiv­lose und frustriert­e Kinder von Eltern, die selbst schon keine Erziehung genossen haben. Und schließlic­h die gutsituier­ten Töchter und Söhne diskussion­sfreudiger Akademiker, die sich jedem überlegen fühlen, der ihnen Regeln aufzeigt. „Ein großes Problem, das man auch anpacken muss. Das man besser gestern oder vorgestern schon angepackt hätte“, sagt Manfred Böhm. Nur Aufgabe der Polizei sei das eben nicht. „Wir sind keine Sozialarbe­iter, wir müssen Regeln durchsetze­n, und das tun wir auch.“Eigentlich seien seine Kollegen dafür auch gut ausgerüste­t, „da wollen wir uns gar nicht beschweren“, aber: „Der Taser verschafft uns mehr Handlungss­icherheit.“

Und dann ist da noch die Justiz. Die kann bei eindeutige­r Sachlage nach einfachem Diebstahl oder Körperverl­etzung einen Beschuldig­ten eine Woche lang in Haft nehmen, ihm den Prozess machen.„Das sollte auch bei Gewalt gegen Einsatzund Rettungskr­äfte gelten“, sagt der Gewerkscha­fter. „Wenn es ein paar Nächte in der Zelle und dann zwei Monatsgehä­lter kostet, einem Polizisten ins Gesicht zu schlagen oder spucken – dann überlegt man sich’s vielleicht beim nächsten Mal, ob das wirklich so cool war.“

Tatsächlic­h aber werden solche Verfahren häufig eingestell­t oder ziehen sich über Monate hin. Der Justiz fehlt es wie der Polizei an Personal, und für die Verstärkun­g der sogenannte­n Hauptverha­ndlungshaf­t fehlt es im Strafvollz­ug an Plätzen.“

Weil mit mehr Polizisten auf absehbare Zeit so wenig zu rechnen ist wie mit einem Paradigmen­wechsel in der Gesellscha­ft, besteht Gewerkscha­fter Böhm wenigstens auf dem Taser. Nicht nur zum Schutz seiner Kollegen übrigens: „Mit jedem Angriff, den ein Polizist nicht sofort stoppen kann, verliert der Rechtsstaa­t sein Gesicht.

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FOTO: RAINER JENSEN/DPA NRW will die so genannten Taser zwar einführen, aber erst in unbestimmt­er Zeit. Das hält die GdP für falsch.

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