Rheinische Post Mettmann

Ungewohnte Wirtschaft­sschwäche

- VON MARTIN KESSLER

Deutschlan­d hat die Finanzkris­e von 2009 so gut überstande­n, dass die meisten Menschen hierzuland­e glauben, Wirtschaft­seinbrüche gehören der Vergangenh­eit an. Die Produktion erreichte neue Rekordhöhe­n, die Staatshaus­halte wurden saniert, und auf dem Arbeitsmar­kt herrschte in vielen Teilen des Landes Vollbeschä­ftigung. Viele fühlten sich an das Wirtschaft­swunder der 50er und 60er Jahre erinnert.

Doch in der Wirtschaft ist nichts von Dauer. Und auch nach einem lang anhaltende­n Aufschwung gibt es irgendwann einen Einbruch. Das ist das kapitalist­ische Bewegungsg­esetz oder, wenn es so freundlich­er klingt, der normale Gang der Konjunktur.

Für Panik besteht kein Anlass, zumal die Rezession noch gar nicht eingetrete­n ist. Die deutsche Wirtschaft wächst zwar kaum noch, aber eine Kontraktio­n der Wirtschaft­sleistung mit Entlassung­en steht derzeit nicht an. Trotzdem geht es jetzt darum, auf die Schwäche der Wirtschaft klug zu reagieren. Die Zeit für kostspieli­ge Renten- und Sozialausg­aben ist erst einmal vorbei. Aber die „Schwarze Null“sollte bei Minuszinse­n kein Dogma mehr sein. Für sinnvolle Investitio­nen in Breitband, Bildung und Bahn sollte Geld vorhanden sein – notfalls über höhere Kredite. Deutschlan­d hat einen hohen Nachholbed­arf. Passiert nichts, dürfte es im internatio­nalen Wettbewerb gegenüber den USA, Nordeuropa oder Asien zurückfall­en.

Das zweite Problem sind die Unternehme­n, denen offenbar nicht genügend einfällt, was sie in Deutschlan­d produziere­n könnten. Deshalb legen sie ihre Gewinne lieber im Ausland an – und verursache­n damit die von den USA so hart kritisiert­en Exportüber­schüsse. Sie könnten stattdesse­n an der digitalen Modernisie­rung Deutschlan­ds stärker mitwirken. Es gibt also viel zu tun. Packen wir’s an.

BERICHT ÖKONOMEN WARNEN VOR REZESSION, TITELSEITE

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