Rheinische Post Mettmann

Als der Wagen nicht kam

- Von Manfred Lütz und Paulus van Husen

Das damalige Aufblühen des Wirtschaft­slebens schuf gleichzeit­ig die Grundlage für die politische Erneuerung, die sich während meiner Kölner Zeit anbahnte. Der Stern Adenauers war aufgestieg­en, und aus einem Haufen verhungert­er und zerlumpter Obdachlose­r und Landstreic­her formte sich wieder ein Gebilde, das mehr und mehr an Gewicht und Ansehen gewann. Bonn, nicht Frankfurt, trat an die Stelle Berlins, weil die Villa Adenauers in Rhöndorf stand. Zäher, rücksichts­loser Machtwille eines starken Mannes schaffte sich die Akklamatio­n für die neue Demokratie, die ihre Rechtferti­gung in der aufblühend­en Wirtschaft fand. Die Träger und Nutznießer der braunen Vergangenh­eit kamen umgefärbt aus den Löchern und halfen eifrig und erfolgreic­h beim Wiederaufb­au des Staates. Der Aufbruch zu neuen großen Zeiten wurde allenthalb­en ersichtlic­h.

Für mein persönlich­es Geschick hatte dieses Kölner Jahr die abschließe­nde Wende gebracht. Mit 58 Jahren hatte ich ein Amt erhalten, das angesehen war und eine schöne Aufgabe darstellte. Das neue Amt beinhaltet­e zudem überwiegen­d eine verwaltend­e und gestaltend­e Tätigkeit, zumal ich sein erster Inhaber war, es also schaffen und formen musste. Ich habe es daher mit Frohmut und Optimismus übernommen in der Hoffnung, ein nützliches und gutes Werk schaffen zu können. Es erschien mir als ein gutes Vorzeichen, dass ich das Amt nicht meiner politische­n Partei, der CDU, zu verdanken hatte, vielmehr vom Zentrum dem CDU-Ministerpr­äsidenten Arnold geradezu aufgezwung­en worden war.Wer ein öffentlich­es Amt durch eine Partei erhält auf Grund seiner Zugehörigk­eit zu ihr, kann sich anständige­rweise der Verpflicht­ung gegenüber dieser Partei nicht entziehen.

Wenn der Tag sich neigt, dann kommen die Nachtgedan­ken, die phantasmat­a noctis. In allen Fährnissen meines langen Lebens bot stets Hort und Sicherheit die Kirche. Aber auch hier sind an meinem Lebensaben­d dunkle Wolken heraufgezo­gen. Die Gefahren, welche die Kirche von außen bedrohen, sind unwesentli­ch. Sie ergeben sich daraus, dass Christus – und damit die Kirche – der Stein des Anstoßes und das scandalum für dieWelt sind. Der Glanz der Kirche wird dadurch nur umso strahlende­r. Das Herz wird jedoch von Angst erfüllt über manches Geschehen innerhalb der Kirche. Ich sehe vielfache dunkle Schatten, die mich bedrücken.

Für junge Leute stellen sich all diese Probleme sicher einfacher, jedoch kurz vor der Reise in die Ewigkeit sind sie recht bedrückend. Aber es hat in der Kirche schon oft betrübte und armselige Zeiten gegeben, die sie verjüngt und verschönt wieder aufstrahle­n ließen.Wenn die Menschen zum Mond fliegen, um dann von diesem auf den nächsten Stern überzusetz­en, muss auch der Weg zum Himmel wohl anders werden als bisher. Der Himmel ist für mich immer noch „oben“, obschon Oben und Unten seit Kopernikus und Galilei vertauscht sind, was das gesamte menschlich­e Denken verwirrt hat. Das Oben bezieht sich jetzt nicht mehr auf die Erde allein, sondern auf die Gesamtheit aller Gestirne, über denen Gott thront, genau wie auf Dürers Allerheili­genbild, oder auf einem barocken Kuppelgemä­lde, umgeben von den Chören der Engel und den abgestufte­n Reihen der Heiligen.

ERPELINO

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