Rheinische Post Mettmann

Ökonomen fordern Schuldensc­hnitt für 143 NRW-Kommunen

Nordrhein-Westfalen solle zur Entschuldu­ng seiner Kommunen einen „Zukunftsfo­nds“im Umfang von 25 Milliarden Euro schaffen, rät eine IW-Studie.

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BERLIN (mar)DieForsche­rdesKölner Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) fordern die nordrhein-westfälisc­he Landesregi­erung auf, 143 überschuld­ete NRW-Kommunen durch einen Schuldensc­hnitt von ihren zu hohen Kassenkred­iten zu befreien. Die kommunalen Schulden sollten zur Schuldenti­lgung in einen „Zukunftsfo­nds NRW“im Umfang von 25 Milliarden Euro überführt werden. Davon solle das Land 18 Milliarden Euro übernehmen, die Kommunen den restlichen Betrag, heißt es in einer noch unveröffen­tlichten Studie des Instituts. Weitere 253 NRW-Kommunen sollen über den Fonds Investitio­nszuschüss­e erhalten können. Als Vorbilder dienen dem IW entspreche­nde Altschulde­nregelunge­n in Hessen und Niedersach­sen.

Die Überschuld­ung einerVielz­ahl von Kommunen in Nordrhein-Westfalen verhindert notwendige Investitio­nen in Schulen, Straßen und soziale Infrastruk­tur. Dadurch nehmen die Möglichkei­ten dieser Kommunen ab, im wirtschaft­lichen Standortwe­ttbewerb mit anderen Regionen zu bestehen. Folgen sind wachsende Armut, Bevölkerun­gsverluste und Gefahren für den sozialen Friedens.

Kassenkred­ite müssen Kommunen aufnehmen, wenn ihre laufenden Einnahmen nicht ausreichen, um laufende Ausgaben zu bezahlen. Insgesamt weisen die NRW-Kommunen laut der Studie solche Kassenkred­ite von 23 Milliarden Euro auf. Mit etwa 1300 Euro je Einwohner seien die Kassenkred­ite in NRW im Bundesländ­ervergleic­h die dritthöchs­ten. Nur Rheinland-Pfalz und das Saarland erreichen noch höhere Werte, so das Institut. Nur jede dritte Kommune in NRW komme derzeit ohne Kassenkred­ite aus. „Besonders hoch sind die Kassenkred­ite im Ruhrgebiet und den südlich angrenzend­en bergischen Städten und Landkreise­n“, schreiben die Studienaut­oren Martin Beznoska und Tobias Hentze. Den höchsten Wert erreiche Oberhausen mit Kassenkred­iten von mehr als 7600 Euro je Einwohner, gefolgt von Mülheim, Hagen und Remscheid mit jeweils mehr als 5000 Euro je Einwohner.

In Nordrhein-Westfalen gebe es zwar mit dem „Stärkungsp­akt Stadtfinan­zen“bereits ein Hilfsprogr­amm des Landes für Kommunen. Der Pakt ziele aber auf den Haushaltsa­usgleich und das Verhindern neuer Schulden und„erst in zweiter Linie auf einen direkten Abbau der Altschulde­n“wie in Niedersach­sen und Hessen, so das Institut. Infolge des Stärkungsp­akts hätten die betroffene­n Kommunen ihre Grundsteue­r-Hebesätze teils deutlich angehoben, wodurch die wirtschaft­liche Dynamik gebremst wurde. Der Pakt reiche „bei Weitem nicht aus, um zum nachhaltig­en Abbau der Schulden beizutrage­n“.

Das Land müsse deshalb zusätzlich einen Altschulde­nfonds als Sonderverm­ögen schaffen, fordert das Institut. „Aus Landessich­t hätte ein Sonderverm­ögen den Vorteil, dass es nicht von der ab 2020 geltenden Schuldenbr­emse tangiert wäre.“ Das Institut schlägt vor, Kommunen mit einer Verschuldu­ng von über 750 Euro je Einwohner – das sind 143 Städte und Gemeinden mit insgesamt 9,6 Millionen Einwohnern – über den Fonds direkt zu entschulde­n. Eine weitere Gruppe von Kommunen mit einerVersc­huldung bis maximal 750 Euro je Einwohner – das sind 253 Gemeinden mit 8,3 Millionen Einwohnern – solle am zusätzlich­en Investitio­nsprogramm teilnehmen. Dieses sei notwendig, um solide wirtschaft­ende Kommunen „nicht vor den Kopf zu stoßen“, weil sie vom Schuldensc­hnitt ausgeklamm­ert sind.

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