Rheinische Post Mettmann

Frauen-Rennserie bekehrt Kritiker

Die „W Series“musste vor dem Start viel Kritik einstecken, auch von Rennfahrer­innen. Nach dem Ende der ersten Saison hat so mancher seine Meinung geändert. Doch der langfristi­ge Erfolg des Projekts ist unsicher.

- VON CHRISTIAN HOLLMANN

BRANDS HATCH (dpa) Ihren frischen Status als größte Hoffnung der Frauen im Motorsport begoss Jamie Chadwick mit einem Drink aus einem Plastikbec­her. Den Triumph in der umstritten­en Frauen-Rennserie „W Series“nahm die 21 Jahre alte Britin nur als Zwischenst­opp auf ihrer schwierige­n Reise, die sie im besten Fall bis in die Formel 1 führen soll. „Meine Ziele sind viel höher als nur die ‚W Series’. Ich will in diesem Sport viel mehr erreichen“, sagte die junge Pilotin Jamie Chadwick, nachdem sie sich im Finale der Premierens­aison in Brands Hatch zum Gesamtsieg in der nur weiblichen Piloten vorbehalte­nen Rennserie gezittert hatte.

Seit 43 Jahren hat es keine Frau mehr in die Startaufst­ellung der Formel 1 geschafft. Auch im von Männern dominierte­n Motorsport ist der Kampf um Chancengle­ichheit für Pilotinnen von Rückschläg­en und Enttäuschu­ngen gepflaster­t. Oft fehlt Rennfahrer­innen schlicht das Geld, dasVertrau­en und die Bühne, um ihr Talent zu entwickeln und zu zeigen. Das sollte die „W Series“ändern. „Dieses Jahr hat mir die Plattform gegeben, die ich sonst nie gehabt hätte“, schwärmte Jamie Chadwick.

Auch hartnäckig­e Kritiker einer nur auf Frauen reduzierte­n Rennserie hat die erste Saison von der Idee überzeugt. „Ich habe meine Meinung komplett geändert“, sagte die frühere DTM-Pilotin Ellen Lohr. Die 54-Jährige, die 1992 als bislang einzige Frau ein Rennen der deutschen Tourenwage­n-Serie gewann, hatte die „W Series“vor Beginn noch als „Rückschlag“und„absoluten Rückschrit­t“für Frauen im Motorsport bezeichnet.

Nun lobte die Mönchengla­dbacherin, die Rennserie gebe weiblichen Piloten „eine Möglichkei­t zu fahren, tatsächlic­h Geld zu verdienen und Aufmerksam­keit zu erregen“. Gespräche mit den Machern der„W Series“um den früheren For

ehemalige DTM-Pilotin

mel-1-Piloten David Coulthard und ein Besuch bei einem der sechs Rennen überzeugte­n sie vom Gegenteil. „Ich sehe das inzwischen sehr positiv, kann aber auch alle Einwände verstehen“, sagte Lohr.

Dagegen kritisiert das deutsche Toptalent Sophia Flörsch die Frauen-Serie weiter als Werbe-Gag. Die 18-Jährige hatte einen Start in der„W Series“abgelehnt, weil sie sich in den regulären Nachwuchs-Kategorien auch mit den besten männlichen Fahrern messen will. „Nur so kann man sich nachhaltig für höhere Aufgaben empfehlen. Ich will keine Marketingn­ummer sein“, sagte die Münchnerin jüngst unserer Redaktion.

Die Betreiber der Rennserie indes schmieden bereits Pläne für die nächsten Jahre. Im September werden mindestens ein Dutzend neue Bewerberin­nen getestet. In der neuen Saison soll es mehr Rennen in Europa geben, von 2021 an dann auch Läufe in den USA und in Asien. Zudem gibt es künftig Punkte für das Erreichen der Superlizen­z, die als Fahrerlaub­nis auch für die Formel 1 dient.

Ob Champion Chadwick jedoch im kommenden Jahr ihren Titel verteidigt, ist ungewiss. „Dies hat mir enormen Auftrieb gegeben. Aber ich muss noch an vielen Dingen arbeiten und will größer denken“, sagte sie. In der britischen GT-Meistersch­aft hat sie bereits gegen männliche Konkurrenz gewonnen, das Formel-1-TeamWillia­ms engagierte sie für sein Entwicklun­gsprogramm. Nun könnte sie den Sprung in die internatio­nale Formel 3 oder sogar die Formel 2 versuchen.

Doch dafür wird es deutlich mehr als die rund 440.000 Euro Preisgeld brauchen, die sie für den Gewinn der „W Series“bekam. „Es geht darum, was du in der Tasche hast. Finanziell­e Unterstütz­ung, das ist die größte Hürde“, sagte Chadwick. Der langfristi­ge Erfolg der „W Series“wird sich auch daran bemessen, wie weit es ihre erste Siegerin noch bringt.

„Ich habe

meine Meinung zur ’W Series’

komplett geändert“

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cheln: Jamie Chadwick nach der Ehrung für den Gesamtsieg.
FOTO: IMAGO IMAGES Siegerinne­n-Lä cheln: Jamie Chadwick nach der Ehrung für den Gesamtsieg.

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