Hirnchirurgen üben an Kokosnüssen
In der „Nacht der Wissenschaft“zeigen Neuro-Onkologen Fortschritte bei der Behandlung von Gehirntumoren.
Eine Kokosnuss, eine Wassermelone und eine Fleischtomate – mehr brauchen die Neuro-Onkologen des Uniklinikums nicht, um die Fortschritte in der Hirntumor-Chirurgie zu demonstrieren. Die Kokosnuss, weil ihre Schale ähnlich hart ist wie der menschliche Schädel – deshalb gilt sie als perfektes Übungsobjekt für junge Mediziner. Wie das funktioniert, kann bei der„Nacht derWissenschaft“jeder ausprobieren. Zur Probe wurde jetzt schon mal der Bohrer angesetzt – an die Nuss.
Professor Michael Sabel, Chef der Düsseldorfer Neuro-Onkologie, gehört zu den Pionieren seines Fachgebiets. Gemeinsam mit seinem Team war er an der Entwicklung einer technischen Innovation beteiligt: einem raumgreifenden, hochspezialisierten OP-Mikroskop, mit dem Hirntumore viel exakter als bisher in ihren Umrissen sichtbar gemacht und mit einem schonenden Verfahren abgeschliffen werden können.
Um das zu ermöglichen, wird einem Patienten vor der Operation ein Kontrastmittel mit Fluoreszenz-Farbstoffen verabreicht. An der Tomate demonstrieren die Neuro-Onkologen was dann geschieht: Der Tumor erscheint unter Blaulicht deutlich erkennbar und dreifach vergrößert auf einem Monitor, mit dem das Mikroskop verbunden ist. „Der Farbstoff lagert sich nur in den Krebszellen ab“, so Sabel.
Ein solches Mikroskop kostet rund eine halbe Million Euro. Deshalb demonstrieren die Düsseldorfer Mediziner, dass die Methode auch mit geringerem finanziellen Aufwand funktioniert. Dazu haben sie eine schlichte Stirnlampe mit Blaulicht entwickelt, auch sie lässt die Krebszellen farbig leuchten und kann als preiswerte Alternative beispielsweise in ärmeren Ländern eingesetzt werden. Doch bevor der Tumor entfernt wird, muss zunächst der Schädel geöffnet werden – somit zurück zur Kokosnuss. Und zum Einsatz von Bohrer und Stichsäge wie aus dem Baumarkt –„medizinisches Handwerk“, so Michael Sabel.
Wäre die Nuss ein menschlicher Schädel, würde der Patient langsam aus der Narkose aufgeweckt, damit während des weiteren (schmerzlosen) Eingriffs seine Körperfunktionen – wie Sprache und Bewegung – überwacht werden können. Nun kommt (an der Melone demonstriert) ein computergesteuertes Navigationssystem zum Einsatz, mit dessen Hilfe ein Katheter zum Tumor geführt und Gewebe entnommen wird. Das kann mitunter ein langer Weg in tiefe Hirnschichten sein, ständig überwacht von Kontrollbildern auf dem Monitor. Ein wesentlicher Fortschritt für die Operateure. „Denn im Gehirn ist ja jede Region von Bedeutung“– jede winzige Verletzung könnte fatale Folgen haben.
Dieses Nuss-Melone-Tomate-Modell, das die Neuro-Onkologen am 13. September der Öffentlichkeit zeigen werden, haben sie vor allem entwickelt, um junge Mediziner auszubilden. Die kommen mittlerweile auch von anderen Universitäten nach Düsseldorf. „Unsere Technologie ist genauer, schneller und sicherer für den Patienten“, lautet das Fazit von Michael Sabel, für dessen Team der Eingriff mittlerweile Routine ist. Durchgesetzt habe sich die Methode an vielen anderen Kliniken immer noch nicht – vermutlich aus Kostengründen,„obwohl in Studien nachgewiesen wurde, dass Patienten dadurch länger leben“.
In der „Nacht der Wissenschaft“wollen die Spezialisten vom Düsseldorfer Uniklinikum auch verdeutlichen, dass nicht unbedingt die Operation die größte Herausforderung ist. „Es geht doch immer wieder um die Einschätzung, ob der Nutzen größer ist als ein möglicher Schaden,“so Sabel. Oft wird diese Frage eindeutig positiv beantwortet. Professor Sabel berichtet von einem Patienten, der durch seinen Tumor seine Sprache verloren hatte :„Nach dem Eingriff konnte er wieder sprechen.“