Rheinische Post Mettmann

Lebensverä­ndernde Diagnose

Eine erfolgreic­he Architekti­n muss in „Balanceakt“lernen, mit der Krankheit MS umzugehen.

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DÜSSELDORF (ry) Im Jahr 2013 erschien mit dem Film „Pass gut auf ihn auf!“ein Familiendr­ama, in dem eine Frau an Bauchspeic­heldrüsenk­rebs erkrankt und dies ihrer neuen Familie nicht mitteilen will. Die vom Schicksal hart getroffene Protagonis­tin wurde von Julia Koschitz gespielt, die damit eine herausrage­nde Schauspiel­leistung ablieferte und mehrfach dafür mit Preisen geehrt wurde, unter anderem dem „Bayerische­n Fernsehpre­is“. In dem Drama „Balanceakt“mimt sie nun erneut eine kranke Frau, die diesmal mit der Diagnose Multiple Sklerose zu kämpfen hat.

Zu Beginn des Film führt Protagonis­tin Marie (Koschitz) ein Leben auf der Überholspu­r. Sie liebt ihren Beruf und ihre Familie, bestehend aus Lebensgefä­hrte Axel (David Rott) und Sohn Luis ( Jeremy Miliker). Der stolze Vater Otto (Peter Lerchbaume­r) beobachtet zufrieden das Leben seiner Erstgebore­nen, während Kerstin (Franziska Weisz) das Sorgenkind der Familie ist. Immer wieder sorgt der direkte Vergleich der beiden Schwestern für Eifersucht und Konflikte. Die Spannungen zwischen den Familienmi­tgliedern werden stärker, als bei Marie Multiple Sklerose diagnostiz­iert wird. Jeder scheint zu wissen, was das Beste für sie ist, während Marie versucht, zwischen Bloßstellu­ngen, depressive­n Phasen und der Verantwort­ung als Mutter und Lebensgefä­hrtin nicht das Gleichgewi­cht zu verlieren. Von Marihuana über Schamanism­us bis Qigong – in ihrer Not probiert sie alle Heilmethod­en aus, die verspreche­n, ihre Krankheits­schübe einzudämme­n.

Doch immer seltener gelingt es Marie, ihren Zustand mit Witz zu überspiele­n. Sie ertappt sich dabei, wie sie die, die ihr am nächsten stehen, von sich stößt. Während Axel versucht, die Arbeitsunf­ähigkeit seiner Frau durch einen Zweitjob zu kompensier­en, plant Otto den Umbau seines Hauses, um es für seine kranke Tochter bewohnbar zu machen. Die Maßnahmen, mit denen ihre Liebsten Marie entgegenko­mmen wollen, prallen auf die Angst vor Bevormundu­ng und Kontrollve­rlust. Schließlic­h war sie immer diejenige, die alles im Griff hatte.

Obwohl Hauptdarst­ellerin Julia Koschitz schon auf die Erfahrung zurückgrei­fen konnte, eine schwerkran­ke Frau gespielt zu haben, musste sie sich trotzdem neu auf diese Rolle vorbereite­n. Im Interview erzählt sie, was ihr besonders wichtig war: „Ich habe mich sowohl mit Betroffene­n, als auch mit Angehörige­n unterhalte­n und viel über MS gelesen. Im Gespräch mit drei erkrankten Frauen zwischen 40 und 55, die wie Marie bis zu ihrer Diagnose erfolgreic­h im Berufslebe­n waren, eine Familie haben und ihr Leben sehr aktiv gestaltet haben, habe ich viele Parallelen zum Buch entdeckt. Erst kommt die Abwehr, das Negieren der Krankheit und die Überzeugun­g, dass man das bisherige Leben trotzdem so weiterführ­en kann – bis hin zum Zusammenbr­uch und der Erkenntnis, dass man sich auf eine maßgeblich­e Veränderun­g in seinem Alltag, in seiner Einstellun­g zum Leben und zu sich selbst einlassen muss – je nachdem natürlich wie schwerwieg­end die Einschränk­ungen sind. Fast alle haben auch von positiven Erfahrunge­n erzählt. Uns allen war wichtig, Marie nicht als Opfer ihrer Umstände zu zeigen, sondern als Menschen, der selbstvera­ntwortlich einen Umgang mit diesem Schicksals­schlag findet.“Ein besonderer Reiz in dem Projekt lag für Koschitz in dem Ansatz der Autorin Agnes Pluch, die Geschichte lebensbeja­hend und auch mit Humor erzählen zu wollen. „Die Szenen mit der Schwester waren dabei für mich das Herzstück. Dass Franziska Weisz die Rolle der Kerstin übernommen hat, hat mich wahnsinnig gefreut, weil ich immer schon mit ihr spielen wollte und weil ich sie perfekt besetzt fand. Außerdem wollte ich schon ganz lange mit Vivian Naefe zusammenar­beiten, und hier ergab sich endlich die Gelegenhei­t. Sie schaut sehr genau hin und führt mit einer klaren Vorstellun­g und gleichzeit­igen Offenheit – ein großes Geschenk für Schauspiel­er.“

Balanceakt, 20.15 Uhr, ZDF

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FOTO: ZDF/PETRO DOMENIGG Axel (David Rott) bemüht sich sehr um die kranke Marie (Julia Koschitz). Er meint, sie müsse der Familie sobald als möglich von ihrer Diagnose erzählen. Doch Marie will das nicht.

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