Rheinische Post Mettmann

Die ungeschmin­kte Wahrheit

In diesem Sommer müssen doppelt so viele Bäume gefällt werden wie 2018 – laut Gartenamt wegen der Trockenhei­t. Und die Stadt kommt mit dem Nachpflanz­en kaum hinterher.

- VON HELENE PAWLITZKI

Gehen Düsseldorf wegen Trockenhei­t bald die Bäume aus? Liest man die Informatio­nsvorlage des Gartenamts für den Ausschuss für öffentlich­e Einrichtun­gen am Freitag, könnte man fast auf die Idee kommen. Durch Wassermang­el seien mehr Bäume anfällig für Schädlinge wie Pilze und Insekten. Zudem stelle man immer mehr Trocken- und Totholz in Baumkronen fest. Das Ergebnis: Bei den alljährlic­hen Sommerfäll­ungen werden doppelt so viele Bäume dran glauben müssen wie noch 2018: 349 Straßenbäu­me und 397 Bäume in Parks und Grünanlage­n.

Das ist aber nicht das einzige Problem: Offenbar ist es extrem schwierig, neue Bäume zu pflanzen, um die alten zu ersetzen. Der Grund: Es gibt schlicht zu wenig Platz. 522 Vorschläge für neue Baumstando­rte hat das Gartenamt laut Vorlage gemacht. Rund 80 Prozent wurden abgelehnt. An vielen Stellen liegen Leitungen im Weg; an anderen würde ein Baum einen zweiten Rettungswe­g versperren. Oder es sind Straßenbau­maßnahmen geplant, so dass dort aktuell kein Baum gepflanzt werden kann. So konnten nur 104 neue Baumstando­rte frei gegeben werden – geplant waren eigentlich 160. 40 Baumstando­rte sollen saniert werden. Das bedeutet, dass der alte Baum erhalten und besonders gepflegt wird. Beispielsw­eise wird der Boden aufgelocke­rt und mit Nährstoffe­n versorgt.

Dass die Standortsu­che schwierig werden würde, stand schon vor einem Jahr fest. Damals beschloss der Stadtrat, fünf Millionen Euro in zusätzlich­e Straßenbäu­me zu investiere­n. 870 sollten über einen Zeitraum von fünf Jahren gepflanzt werden, besonders in klimatisch besonders belasteten Vierteln. Aktuell ist die Frage, ob das gelingt: Denn allein die gefällten Bäume zu ersetzen, wird nicht einfach. Gerade Straßenbäu­me gelten aber als wichtiger Baustein der Klima-Anpassung. Ihr Schatten und ihre Sauerstoff­produktion soll das Leben im heißen Sommer erträglich machen.

„Wir haben bereits im vergangene­n Jahr mit Erschrecke­n gesehen, welche Schäden die Trockenhei­t bei den Bäumen anrichtet“, sagt der Grünen-Fraktionss­precher Norbert Czerwinski. Insofern sei klar, wie wichtig eine Erneuerung des Baumbestan­ds sei. Er hoffe, dass sich die Bürger weiter engagierte­n, indem sie die Bäume gießen. „Wenn so viele Baum-Standorte als ungeeignet ausfallen, müssen wir uns vielleicht aber auch noch mal die Kriterien anschauen“, kündigt Czerwinski an. Die Grünen würden sich jedenfalls nicht mit der Situation zufrieden geben.

Die bewilligte Million Euro, die 2019 für das Baumprogra­mm veranschla­gt wurde, wird das Gartenamt komplett abrufen – obwohl aus Platzmange­l weniger Bäume gepflanzt werden als geplant. Der Grund sind laut Vorlage Preissteig­erungen in der Baubranche. Zumindest bei der SPD sitzt das Portemonna­ie aber locker, was Bäume angeht. „Wir wissen, wie wichtig das Thema ist“, versichert Markus Raub, Fraktionsv­orsitzende­r im Rat.

Es ist heiß, und möglicherw­eise geht es anderen Frauen ähnlich wie mir: Geschminkt aus dem Haus zu gehen bei dem schwülen Wetter macht gerade nicht so richtig Freude. Daher muss das Umfeld damit leben, sich auch mal von der ungeschmin­kten Version überrasche­n zu lassen. Die Reaktionen sind unterschie­dlich. Heuer bei einem Treffen in Unterrath gab es folgende Reaktion: „Also, irgendwie sehen Sie anders aus als sonst.“Na und, denke ich, und kontere: „Das ist der neue Naturalism­us-Look.“Wenn wir schon in einer Beauty-Hochburg leben, dann sollte uns das auch hierzu inspiriere­n. Meint schwitzend bpa

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ARCHIV-FOTO: HANS-JÜRGEN BAUER Regelmäßig überprüft das Gartenamt die Bäume in der Stadt. In diesem Sommer müssen deutlich mehr gefällt werden als noch 2018.

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