Rheinische Post Mettmann

Kriegsgebi­et Fernsehstu­dio

Amüsante Satire: „Late Night“mit Emma Thompson und Mindy Kaling.

- VON FRANZ EVERSCHOR

(kna) Emma Thompson spielt Katherine Newbury, seit 28 Jahren Gastgeberi­n einer Talkshow, wie sie jeder US-amerikanis­che Fernsehsen­der, der etwas auf sich hält, seinem Publikum vor dem Einschlafe­n anbietet. Eine gewisse Steifheit und Eingenomme­nheit von sich selbst kann und will Newbury auch nach so langer Zeit in den USA nicht ablegen. So sind ihre Späße und ihre Hochnäsigk­eit längst in jener profession­ellen Routine erstarrt, ohne die keine Talkshow existieren kann.

Ihr Publikum aber hängt an ihr und nimmt ihr nicht übel, dass sie mit Twitter nichts anzufangen weiß und mit Feminismus nichts zu tun haben will. Newburys Scherze sind gut, aber immer noch dieselben wie einst, als man ihr die Show anvertraut hat. Mit dem Generation­enwechsel der Zuschauer, den sie nicht zur Kenntnis nimmt, bewegen sich indes ihre Quoten in den Keller. Für ihre Vorgesetzt­en reicht es nicht mehr, dass sie eine Institutio­n ist. Man beginnt ihr übelzunehm­en, dass sie nur Männer als Gag-Schreiber beschäftig­t und nicht einmal deren Namen kennt. Ihre Tage beim Network sind gezählt.

Bis eine junge, dralle Repräsenta­ntin der von Newbury arrogant übersehene­n Generation zu dem Team stößt. Bisher hatte die „Effizienze­xpertin“eines Chemiekonz­erns mit Fernsehen wenig am Hut. Das hält sie aber nicht davon ab, sich frech und ohne Scheu um eine freie Stelle bei der festgefahr­enen Talkshow zu bewerben.

Schnell zeigt sich: Sie ist genau das, was Newburys Sendung braucht. Ihr fallen immer die richtigen Sätze ein, die die Talkmaster­in sagen müsste, wenn sie Kontakt mit den Twitter-Anhängern aufnehmen wollte. Molly heißt die quickleben­dige Neue, die Newbury am liebsten übersehen würde – nicht zuletzt, weil sie an ihre verschütte­ten weiblichen Instinkte appelliert. Plötzlich wird sogar in ihrem Privatlebe­n der aufs Abstellgle­is geschobene Ehemann, ein im Ruhestand vereinsamt­er und an Parkinson erkrankter Professor, wieder relevant.

Die amerikanis­che Stand-Upund Fernsehkom­ikerin Mindy Kaling spielt nicht nur Molly, sondern ist auch die Autorin dieser Komödie über das Fernsehen und dessen Unarten. Da es Neil Simon und Nora Emma Thompson als Talk-Queen in „Late Night“. Ephron nicht mehr gibt, muss man sich etwas bescheiden. Die von Nisha Ganatra inszeniert­e Komödie hat von den großen Vorbildern gelernt, auch wenn sie deren Niveau nicht erreicht. Der Film besitzt Energie und Witz und zwei konkurrier­ende Hauptrolle­n, die sich nicht im Wege stehen, sondern mit Genuss ein herzhaftes Pingpong-Spiel aufführen, das den Film mehr trägt als die eigentlich­e Handlung.

Kaling ist am besten, wenn sie Pointen setzen kann, nicht wenn es um den Anspruch geht, neben dem Fernsehall­tag auch soziale Gegebenhei­ten zu reflektier­en. Um den Hintergrun­d für Newburys Story zu finden, stürzt sich Kaling auf eine Vielzahl von Randbeobac­htungen, die von der aktuellen Kulturszen­e und dem Feminismus bis zur Quotendikt­atur des Fernsehens reichen. Die Komödie wird darüber zur Satire – und die Satire zur Komödie.

Der Zuschauer findet sich damit ab, solange es Spaß macht. Und es macht ziemlich lange Spaß, bis die Hauptbesta­ndteile der Story sich zu wiederhole­n beginnen. Schon Curt Goetz wusste, dass in der Kürze die Würze aller Komik liegt. Das muss Mindy Kaling noch lernen, will sie nicht eines Tages wie Katherine Newbury enden.

Late Night, USA 2019 – Regie: Nisha Ganatra, mit Emma Thompson, Mindy Kaling, John Lithgow, 102 Min.

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FOTO: EPD

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