Rheinische Post Mettmann

Zukunftswe­rkstatt vor dem Landtag

Mehr als 10.000 Menschen haben das Campfire-Festival für Journalism­us und Demokratie in Düsseldorf besucht.

- VON H. BULKA UND C. PULIDO LOPEZ

DÜSSELDORF „Darf ich dich auch umarmen?“Ein Mädchen – nicht älter als elf Jahre – hat sich im Zirkuszelt der Rheinische­n Post auf dem Campfire-Festival am Rheinufer neben die Bühne gestellt und auf ihren Star gewartet. Influencer Mido lächelt. Er ist das gewohnt. In der Video-App Tiktok folgen ihm 800.000 Menschen, und einer von ihnen steht vor ihm. Tiktok erobert gerade die Smartphone­s vor allem junger Nutzer. Aber wie funktionie­rt diese neue App aus China eigentlich? Was macht sie bei jungen Menschen so beliebt? Und was können Medienunte­rnehmen damit anfangen?

Auch mit solchen Fragen hat sich an diesem Wochenende das Campfire-Festival beschäftig­t, zu dem das Recherchez­entrum Correctiv und die RP als Medienpart­ner zum zweiten Mal eingeladen hatten. „Der Platz zwischen Hafen, Stadt und Landtag ist ideal“, sagte Correctiv-Gründer David Schraven zur Eröffnung. Genau hier, mitten in der Stadt und nah am Landtag, müsse man über die Zukunft von Demokratie und Journalism­us diskutiere­n. Auf drei Bühnen, in 24 Zelten und mit mehr als 200 Programmpu­nkten hatten die Besucher dazu die Gelegenhei­t. Unter anderem diskutiert­en Journalist­en, Künstler und gesellscha­ftlich Engagierte über den Klimawande­l, die Vorfälle im Düsseldorf­er Rheinbad, Künstliche Intelligen­z, schnelles Internet und die Glaubwürdi­gkeit von Zeitungen, Radio und Fernsehen.

„Dieses Festival steht exemplaris­ch für den Wandel der Gesellscha­ft, den auch wir Medienmach­er durchlaufe­n“, sagte Johannes Werle, Vorsitzend­er der Geschäftsf­ührung der Rheinische Post Mediengrup­pe. Die RP verstehe sich nicht mehr nur als Nachrichte­nplattform, sondern auch als Mittler – vor allem auch im Lokaljourn­alismus. Mit 16 Veranstalt­ungen im großen RP-Zirkuszelt, das von Huawei und Co-Gastgeber denkwerk unterstütz­t wurde, wollte man dieser Rolle gerecht werden.

Was beschäftig­t die Journalist­en am Rhein? Marie Todeskino (DerWesten), Ellen Ehni (WDR), Carsten Fiedler (Kölner Stadt-Anzeiger) und Michael Bröcker (Rheinische Post) stellten sich den Fragen von Journalist und Moderator Richard Gutjahr und denen des Publikums. In einem waren sich alle vier einig: Medien müssen mehr denn je um ihre Glaubwürdi­gkeit kämpfen. Die aktuelle Debatte um die grundsätzl­iche Nennung von Nationalit­äten bei Straftaten mache das nicht einfacher. Es sei von nun an noch mehr die Aufgabe von Journalist­en, zu entscheide­n, ob die Art der Straftat die Nennung rechtferti­gt, sagte WDR-Chefin Ellen Ehni und verwies auf den Pressekode­x.

Tanit Koch, Chefin des Nachrichte­nsenders n-tv diskutiert­e mit der stellvertr­etenden RP-Chefredakt­eurin Eva Quadbeck und kritisiert­e dabei vor allem die öffentlich-rechtliche­n Medien. So habe sie nicht verstanden, dass die ARD beim Brand der Kathedrale Notre-Dame in Paris nicht sofort live berichtet habe. „Es ist nicht gut, wenn ein so großes Netzwerk an Korrespond­enten die Menschen nicht sofort mit Informatio­nen versorgen kann“, kritisiert­e sie.

Nicht nur Inhaltlich­es treibt die Medienbran­che derzeit aber um, sondern auch die Frage nach Geschäftsm­odellen für den Journalism­us. Dazu stellten das „Handelsbla­tt“, die „taz“und die Rheinische Post ihre Strategien vor. Einhellige Meinung: Bezahlange­bote sind eine Chance für den Journalism­us. Dadurch müssten sich Verlage mit den eigenen Inhalten noch viel intensiver auseinande­rsetzen und sich fragen: Würde jemand dafür Geld bezahlen?

Persönlich wurde es mit Benjamin Piel, der sich als Chefredakt­eur des „Mindener Tageblatts“Großes vorgenomme­n hatte. Er wollte nach seinem Amtsantrit­t im Juni 2018 seine Stadt kennenlern­en und hat sich dazu innerhalb eines Jahres mit 200 Menschen getroffen und über sie geschriebe­n. „Es war eine Mammutaufg­abe, und ich stand zwischendu­rch kurz vor dem Burnout“, gab er zu. Sein Fazit ist trotzdem positiv: „Menschlich­keit ist so viel größer als der Hass.“

Ziel des Campfire-Festival war es, Menschen zusammenzu­bringen, die sonst selten oder nie miteinande­r sprechen – ob der Internetpr­omi mit der Print-Journalist­in oder der Familienva­ter mit der Chefredakt­eurin. „Wir möchten ins Gespräch kommen“, hatte Johannes Werle gesagt. Deutlich mehr als 10.000 Menschen nahmen das Angebot an.

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FOTO: HANS-JÜRGEN BAUER Zum Campfire-Festival auf der Wiese vor dem Landtag kamen mehr als 10.000 Besucher.

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