„Die SPD sollte mit uns sprechen“
Der Kreisvorsitzende der Linkspartei über ein rot-rot-grünes Bündnis und die Wahl 2020.
Alle Blicke richteten sich am Mittwoch plötzlich auf die Linkspartei: Mit ihrer Stimme gelang es SPD und Grünen im Verkehrsausschuss des Stadtrats doch noch, die große Umweltspur durchzusetzen. Udo Bonn (65) ist der Vorsitzende des Kreisverbands – und berichtet in unserer Serie von Sommerinterviews darüber, was die Linkspartei im Vorwahlkampf beschäftigt.
Herr Bonn, die Linke hat die große Umweltspur ermöglicht. Das Projekt ist hoch umstritten, weil auf einer wichtigen Pendlerachse eine Fahrspur für Autos wegfällt. Haben Sie keine Sorge vor mehr Staus?
Ich bin nicht sicher, ob alle rund 210.000 Autopendler zwingend mit dem Auto pendeln müssen. Das müsste man mal genau untersuchen. Klar ist, dass wir die Alternativen zum Auto stärken müssen. Dazu gehört, dass wir das Park-and-Ride-Angebot ausbauen oder ein Ganzjahresticket des ÖPNV für 365 Euro anbieten. Ich bin früher selbst mit Bahn und Fahrrad zur Arbeit gependelt und weiß, dass man das nicht macht, wenn die Bedingungen zu schlecht sind. Für uns Linke ist aber noch ein anderer Punkt wichtig.
Was denn?
Bonn Ich finde, wir müssen auch darüber reden, dass viele Menschen gar nicht pendeln, sondern in Düsseldorf wohnen wollen. Da wären wir beim Wohnungsmarkt, bei dem 43.000 Wohnungen im mittleren und unteren Segment fehlen.
Die gestiegenen Preise sind ein Phänomen in vielen Großstädten. Auch mehr Wohnungsbau hat die Tendenz in Düsseldorf bislang nicht gedreht. Was soll die Stadt denn noch tun?
Bonn Eine Stadt kann sicher nicht alleine alle Probleme lösen, aber sie kann für mehr Wohnungen im unteren Preissegment viel tun. Die städtische Wohnungsgesellschaft kann zum Beispiel selber auf städtischem Grund bauen. Wenn die Stadt einen nennenswerten Anteil der Wohnungen vermietet, kann sie die Mietpreise mitbestimmen.
Städtischer Wohnungsbau, Verkehrswende – das würde viel Geld kosten. Die Linke hat auch viele andere kostspielige Ideen. Wie wollen Sie das finanzieren?
Bonn Wir fordern eine Erhöhung der Gewerbesteuer um zehn Prozent, dann wären wir ungefähr auf einem Level zum Beispiel mit Köln. Das wird im Stadtrat leider seit Jahren abgelehnt. Diese Erhöhung allein würde schon 90 Millionen Euro mehr pro Jahr einbringen.
Die Umweltspur wurde von SPD, Grünen und Linkspartei gemeinsam ermöglicht, das funktionierte durch eine besondere Konstellation im Verkehrsausschuss. Wäre ein rot-rot-grünes Bündnis auch ein Modell für den Stadtrat nach der Kommunalwahl 2020?
Bonn Ich möchte es nicht ausschließen. Es kommt darauf an, welche Inhalte bei der SPD wirklich gemacht werden. Ich schätze SPD-Chef Andreas Rimkus sehr, wir sind beide alte Gewerkschafter. Im Programm der SPD steht zum Beispiel zur Wohnungspolitik auch nichts Falsches drin, und mit unserem gibt es viele Übereinstimmungen – bei den Grünen bin ich mir nicht so sicher, sie scheinen in Düsseldorf eher konservativ zu sein. Die Frage bei der SPD ist, welche Politik sie tatsächlich umsetzen will. In der Ampel-Koalition lässt sie sich ja von der FDP auf der Nase herumtanzen. Soziale Politik macht die SPD nur, wenn sie Druck von der Linken bekommt.
Würden Sie mit Oberbürgermeister Thomas Geisel zurechtkommen?
Bonn Diese Frage spielt sicher auch eine große Rolle. Ich schätze es, wie er über Flüchtlingspolitik und den Kampf gegen Rechts spricht. Aber seine Eigenmächtigkeit kann schnell zu einem Problem werden. Die Sozialdemokraten stehen dann plötzlich nur noch wie die Unteroffiziere an seiner Seite, auch wenn viele es in Wahrheit anders sehen.
Wird die Linke einen eigenen Oberbürgermeisterkandidaten stellen?
Bonn Mal schauen. Wir wollen in jedem Fall keinen Oberbürgermeister aus der CDU oder der FDP. Wenn die SPD wirklich soziale Politik machen will, dann muss sie meiner Meinung nach auf uns zugehen und mit uns sprechen. Danach müsste man abwägen,
ob wir Thomas Geisel unterstützen. Wir stehen unter keinem Zwang und entscheiden erst im März 2020.
Was werden Wahlkampfthemen der Linken?
Bonn Wohnen und Verkehr sind sicher die beiden großen Themen, aber es gibt viele weitere. Es muss zum Beispiel eine Offensive für mehr und wohnortnahe Kitaplätze geben. Außerdem muss etwas gegen den hohen Krankenstand in den Kitas unternommen werden. Der Grund für den hohen Krankenstand ist die Überlastung des Personals, die man übrigens im gesamten sozialen Bereich beobachten kann. Wenn man Stellen von Sozialarbeitern und Psychologen in Einrichtungen nicht abbaut, sondern weitere hinzunimmt, sorgt dies für mehr Entlastung und für bessere Entwicklungschancen der Kinder.
Der Stadtrat hat am Donnerstag die erste Wohnraumschutzsatzung für Düsseldorf verabschiedet. Die Linke fand die Regelungen nicht weitgehend genug.
Bonn Ja. Mich erinnert die Wohnraumschutzsatzung an den Scheinriesen aus Jim Knopf . In der weiten Ferne sieht der Riese ganz grausam aus, genauso wie die Satzung der Ampel. Aber je näher man kommt, desto lieblicher wird er für die Immobilienbranche. Düsseldorf braucht härtere Regeln und vor allem mehr Kontrollen, um Wohnraum vor Zweckentfremdung und Spekulation zu schützen.
Sie wollten eigentlich im Frühjahr gar nicht mehr als Parteichef antreten. Da Ihre frühere Partnerin der Doppelspitze zu wenig Stimmen erhielt und durchfiel, sind Sie geblieben. Wie lange wollen Sie noch an der Spitze des Verbands stehen?
Bonn Darüber habe ich mir noch keine Gedanken gemacht, ich bin noch bis März 2020 gewählt. Wir haben einen ganz jungen Kreisvorstand. Der wird entscheiden. Wenn es gewünscht wird, kann ich mir vorstellen, den Wahlkampf zu machen. Was meine Perspektive betrifft, bin ich sehr entspannt. Am 1. und 2. September 1870 findet im Deutsch-Französischen Krieg die „Schlacht von Sedan“statt. Die deutschen Truppen gehen als Sieger hervor. Dieser Sieg wird als kriegsentscheidend angesehen. Auf beiden Seiten werden insgesamt rund 26.000 Tote und Verwundete beklagt. Etwa 100.000 Franzosen – unter ihnen Kaiser Napoleon III. – gehen in Gefangenschaft. Euphorisch wird im wenig später gegründeten Deutschen Reich alljährlich der „Sedantag“gefeiert.
Auch in Düsseldorf werden an diesem Tag Gottesdienste, Umzüge, Festreden oder Konzerte abgehalten. So auch am 2. September 1895, 25 Jahre nach dem großen Sieg. Im Kaisersaal und im Garten der Städtischen Tonhalle findet ein „patriotischer Fest-Abend“statt. Im Saal tritt der städtische Männer-Gesangsverein auf. Im Garten mit der „Nehl’schen Kapelle“spielt das Orchester. Reichsweit werden in der Folge auch Straßen und Plätze nach der Schlacht von Sedan oder anderen Kriegsorten benannt, in Düsseldorf die Sedanstraße in Unterbilk im Jahr 1873.