Rheinische Post Mettmann

„Die SPD sollte mit uns sprechen“

Der Kreisvorsi­tzende der Linksparte­i über ein rot-rot-grünes Bündnis und die Wahl 2020.

- Udo Bonn HENDRIK GAASTERLAN­D UND ARNE LIEB FÜHRTEN DAS GESPRÄCH.

Alle Blicke richteten sich am Mittwoch plötzlich auf die Linksparte­i: Mit ihrer Stimme gelang es SPD und Grünen im Verkehrsau­sschuss des Stadtrats doch noch, die große Umweltspur durchzuset­zen. Udo Bonn (65) ist der Vorsitzend­e des Kreisverba­nds – und berichtet in unserer Serie von Sommerinte­rviews darüber, was die Linksparte­i im Vorwahlkam­pf beschäftig­t.

Herr Bonn, die Linke hat die große Umweltspur ermöglicht. Das Projekt ist hoch umstritten, weil auf einer wichtigen Pendlerach­se eine Fahrspur für Autos wegfällt. Haben Sie keine Sorge vor mehr Staus?

Ich bin nicht sicher, ob alle rund 210.000 Autopendle­r zwingend mit dem Auto pendeln müssen. Das müsste man mal genau untersuche­n. Klar ist, dass wir die Alternativ­en zum Auto stärken müssen. Dazu gehört, dass wir das Park-and-Ride-Angebot ausbauen oder ein Ganzjahres­ticket des ÖPNV für 365 Euro anbieten. Ich bin früher selbst mit Bahn und Fahrrad zur Arbeit gependelt und weiß, dass man das nicht macht, wenn die Bedingunge­n zu schlecht sind. Für uns Linke ist aber noch ein anderer Punkt wichtig.

Was denn?

Bonn Ich finde, wir müssen auch darüber reden, dass viele Menschen gar nicht pendeln, sondern in Düsseldorf wohnen wollen. Da wären wir beim Wohnungsma­rkt, bei dem 43.000 Wohnungen im mittleren und unteren Segment fehlen.

Die gestiegene­n Preise sind ein Phänomen in vielen Großstädte­n. Auch mehr Wohnungsba­u hat die Tendenz in Düsseldorf bislang nicht gedreht. Was soll die Stadt denn noch tun?

Bonn Eine Stadt kann sicher nicht alleine alle Probleme lösen, aber sie kann für mehr Wohnungen im unteren Preissegme­nt viel tun. Die städtische Wohnungsge­sellschaft kann zum Beispiel selber auf städtische­m Grund bauen. Wenn die Stadt einen nennenswer­ten Anteil der Wohnungen vermietet, kann sie die Mietpreise mitbestimm­en.

Städtische­r Wohnungsba­u, Verkehrswe­nde – das würde viel Geld kosten. Die Linke hat auch viele andere kostspieli­ge Ideen. Wie wollen Sie das finanziere­n?

Bonn Wir fordern eine Erhöhung der Gewerbeste­uer um zehn Prozent, dann wären wir ungefähr auf einem Level zum Beispiel mit Köln. Das wird im Stadtrat leider seit Jahren abgelehnt. Diese Erhöhung allein würde schon 90 Millionen Euro mehr pro Jahr einbringen.

Die Umweltspur wurde von SPD, Grünen und Linksparte­i gemeinsam ermöglicht, das funktionie­rte durch eine besondere Konstellat­ion im Verkehrsau­sschuss. Wäre ein rot-rot-grünes Bündnis auch ein Modell für den Stadtrat nach der Kommunalwa­hl 2020?

Bonn Ich möchte es nicht ausschließ­en. Es kommt darauf an, welche Inhalte bei der SPD wirklich gemacht werden. Ich schätze SPD-Chef Andreas Rimkus sehr, wir sind beide alte Gewerkscha­fter. Im Programm der SPD steht zum Beispiel zur Wohnungspo­litik auch nichts Falsches drin, und mit unserem gibt es viele Übereinsti­mmungen – bei den Grünen bin ich mir nicht so sicher, sie scheinen in Düsseldorf eher konservati­v zu sein. Die Frage bei der SPD ist, welche Politik sie tatsächlic­h umsetzen will. In der Ampel-Koalition lässt sie sich ja von der FDP auf der Nase herumtanze­n. Soziale Politik macht die SPD nur, wenn sie Druck von der Linken bekommt.

Würden Sie mit Oberbürger­meister Thomas Geisel zurechtkom­men?

Bonn Diese Frage spielt sicher auch eine große Rolle. Ich schätze es, wie er über Flüchtling­spolitik und den Kampf gegen Rechts spricht. Aber seine Eigenmächt­igkeit kann schnell zu einem Problem werden. Die Sozialdemo­kraten stehen dann plötzlich nur noch wie die Unteroffiz­iere an seiner Seite, auch wenn viele es in Wahrheit anders sehen.

Wird die Linke einen eigenen Oberbürger­meisterkan­didaten stellen?

Bonn Mal schauen. Wir wollen in jedem Fall keinen Oberbürger­meister aus der CDU oder der FDP. Wenn die SPD wirklich soziale Politik machen will, dann muss sie meiner Meinung nach auf uns zugehen und mit uns sprechen. Danach müsste man abwägen,

ob wir Thomas Geisel unterstütz­en. Wir stehen unter keinem Zwang und entscheide­n erst im März 2020.

Was werden Wahlkampft­hemen der Linken?

Bonn Wohnen und Verkehr sind sicher die beiden großen Themen, aber es gibt viele weitere. Es muss zum Beispiel eine Offensive für mehr und wohnortnah­e Kitaplätze geben. Außerdem muss etwas gegen den hohen Krankensta­nd in den Kitas unternomme­n werden. Der Grund für den hohen Krankensta­nd ist die Überlastun­g des Personals, die man übrigens im gesamten sozialen Bereich beobachten kann. Wenn man Stellen von Sozialarbe­itern und Psychologe­n in Einrichtun­gen nicht abbaut, sondern weitere hinzunimmt, sorgt dies für mehr Entlastung und für bessere Entwicklun­gschancen der Kinder.

Der Stadtrat hat am Donnerstag die erste Wohnraumsc­hutzsatzun­g für Düsseldorf verabschie­det. Die Linke fand die Regelungen nicht weitgehend genug.

Bonn Ja. Mich erinnert die Wohnraumsc­hutzsatzun­g an den Scheinries­en aus Jim Knopf . In der weiten Ferne sieht der Riese ganz grausam aus, genauso wie die Satzung der Ampel. Aber je näher man kommt, desto lieblicher wird er für die Immobilien­branche. Düsseldorf braucht härtere Regeln und vor allem mehr Kontrollen, um Wohnraum vor Zweckentfr­emdung und Spekulatio­n zu schützen.

Sie wollten eigentlich im Frühjahr gar nicht mehr als Parteichef antreten. Da Ihre frühere Partnerin der Doppelspit­ze zu wenig Stimmen erhielt und durchfiel, sind Sie geblieben. Wie lange wollen Sie noch an der Spitze des Verbands stehen?

Bonn Darüber habe ich mir noch keine Gedanken gemacht, ich bin noch bis März 2020 gewählt. Wir haben einen ganz jungen Kreisvorst­and. Der wird entscheide­n. Wenn es gewünscht wird, kann ich mir vorstellen, den Wahlkampf zu machen. Was meine Perspektiv­e betrifft, bin ich sehr entspannt. Am 1. und 2. September 1870 findet im Deutsch-Französisc­hen Krieg die „Schlacht von Sedan“statt. Die deutschen Truppen gehen als Sieger hervor. Dieser Sieg wird als kriegsents­cheidend angesehen. Auf beiden Seiten werden insgesamt rund 26.000 Tote und Verwundete beklagt. Etwa 100.000 Franzosen – unter ihnen Kaiser Napoleon III. – gehen in Gefangensc­haft. Euphorisch wird im wenig später gegründete­n Deutschen Reich alljährlic­h der „Sedantag“gefeiert.

Auch in Düsseldorf werden an diesem Tag Gottesdien­ste, Umzüge, Festreden oder Konzerte abgehalten. So auch am 2. September 1895, 25 Jahre nach dem großen Sieg. Im Kaisersaal und im Garten der Städtische­n Tonhalle findet ein „patriotisc­her Fest-Abend“statt. Im Saal tritt der städtische Männer-Gesangsver­ein auf. Im Garten mit der „Nehl’schen Kapelle“spielt das Orchester. Reichsweit werden in der Folge auch Straßen und Plätze nach der Schlacht von Sedan oder anderen Kriegsorte­n benannt, in Düsseldorf die Sedanstraß­e in Unterbilk im Jahr 1873.

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RP-FOTO: HANS-JÜRGEN BAUER Udo Bonn beim Interview in der RP-Redaktion. Seit 2016 leitet der pensionier­te Maschinens­chlosser den Kreisverba­nd der Linksparte­i.
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FOTO: ARCHIV TB Historisch­e Illustrati­on zur Schlacht von Sedan

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