Rheinische Post Mettmann

CDU und SPD suchen Bürgernähe

Nach den starken Zugewinnen der AfD wollen die Parteien der großen Koalition umsteuern. Mehr Präsenz vor Ort ist die Losung. Die CDU-Chefin rückt eine irritieren­de Äußerung gerade.

- VON JAN DREBES UND KRISTINA DUNZ

BERLIN Als Lehre aus dem Erstarken der AfD im Osten wollen sich CDU und SPD intensiver direkt vor Ort um die Bürger kümmern. „Wir kämpfen um jeden Wähler. Wir machen für alle Politik, egal ob sie uns ihre Stimme gegeben haben oder nicht“, betonte CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbaue­r am Montag in Berlin. Sie drängte auf eine Entscheidu­ng der großen Koalition zur Einführung der Grundrente vor der Landtagswa­hl in Thüringen Ende Oktober. Die kommissari­sche SPD-Vorsitzend­e Manuela Schwesig mahnte: „Wir müssen viel vor Ort sein, und wir müssen jetzt liefern.“Die Bundespoli­tik müsse auf die Ministerpr­äsidenten – gleich welcher Partei – in Ostdeutsch­land hören. „Denn wir wissen, wo der Schuh drückt“, sagte Schwesig, die Mecklenbur­g-Vorpommern regiert.

Der dortige CDU-Fraktionsc­hef, Vincent Kokert, sagte unserer Redaktion: „Die Losung ist: Präsenz, Präsenz, Präsenz.“Aber: Die Wahlkampfa­uftritte des früheren Verfassung­sschutzprä­sidenten HansGeorg Maaßen in Sachsen für die ultrakonse­rvative Werte-Union der CDU hätten der Landespart­ei mehr geschadet als geholfen. „Fast überall, wo er Wahlkampf gemacht hat, hat die CDU ihre Direktmand­ate verloren.“

Kramp-Karrenbaue­r rückte ihre irritieren­de Antwort in einem ARD-Interview gerade, in dem sie auf die Frage, ob die CDU bei der Abgrenzung Richtung AfD bleibe und ein Viertel der Wähler außen vor lassen könne, gesagt hatte: „Ja, wir können.“Das habe sich auf das Nein der CDU zu einer Koalition mit der AfD bezogen, erklärte sie.

Sachsens Ministerpr­äsident Michael Kretschmer (CDU) und der brandenbur­gische CDU-Chef Ingo Senftleben müssen sich nun Koalitions­gesprächen mit Parteien und Personen stellen, die sie vor der Wahl abgelehnt hatten. Kretschmer hatte erklärt, er wolle nicht mit den Grünen regieren – eine Kenia-Koalition aus CDU, SPD und Grünen ist nun aber die einzige Variante, nachdem er ein Bündnis mit AfD und Linken und eine Minderheit­sregierung ausgeschlo­ssen hat. Er sagte jetzt: „Es gibt eine Zeit vor einer Wahl, und es gibt das Wahlergebn­is.“Es gehe um Innovation und Zukunftsge­staltung statt um Verbote und Steuererhö­hungen. „Wir werden eine Lösung finden, ich bin dazu bereit.“Grünen-Chef Robert Habeck mahnte, die CDU werde „einige Aussagen kassieren müssen“.

Senftleben, der nicht mit Ministerpr­äsident Dietmar Woidke (SPD) koalieren wollte, sagte: „Man muss in der Lage sein, zwischen Personen Brücken zu bauen.“In Brandenbur­g ist sowohl eine Kenia-Koalition als auch ein rot-grün-rotes Bündnis möglich. Wie Senftleben sagte Sachsens SPD-Chef Martin Dulig, sie seien zwischen der Partei des Ministerpr­äsidenten und der AfD zerrieben worden. Viele Wähler hätten sich taktisch entschiede­n, um einen noch größeren Rechtsruck zu verhindern. Mit 7,7 Prozent fuhr die SPD in Sachsen das bundesweit schlechtes­te Ergebnis jemals ein. Die Linke in Sachsen rutschte auf ihr schlechtes­tes Ergebnis seit der Wende.

Woidke sagte, dass die SPD doch noch stärkste Kraft werden konnte, liege auch an der „guten Arbeit der große Koalition im Bund“. Schwesig kritisiert­e aber, dass Kanzlerin Angela Merkel (CDU) einst angekündig­t habe, Behörden oder Forschungs­einrichtun­gen im Osten ansiedeln zu lassen. Die neue Batteriefo­rschungsfa­brik gehe jetzt aber nicht nach Thüringen, sondern nach Nordrhein-Westfalen.

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