Die Linke verabschiedet sich als Volkspartei des Ostens
Ihre Rolle als Protestpartei hat die Linke an die AfD verloren. Zugleich bröckeln die klassischen Milieus der SED-Nachfolgepartei.
DRESDEN/POTSDAM Einst war die Linkspartei für Demokraten ein Ärgernis. Sie erbte das Vermögen der SED, verharmloste in Teilen die Diktatur der DDR und stellte unfinanzierbare Forderungen in populistischer Manier. Das brachte den SED-Nachfolgern den Ruf einer Protestpartei des Ostens ein. Noch unter dem Namen PDS fuhr die Linke in Sachsen und Brandenburg Ergebnisse von 23 beziehungsweise 28 Prozent ein und stiegen damit zu einer Volkspartei der neuen Länder auf. Die war verankert in den Milieus der Ex-DDR und spielte erfolgreich den Part des Kümmerers für die auch damals angeblich vernachlässigten Ost-Bürger.
Diese Rolle hat die Linkspartei nach den jüngsten Landtagswahlen in Sachsen und Brandenburg verloren. Die Linke kam kaum über zehn Prozent in beiden Ländern hinaus. Als einzige der etablierten Parteien verlor sie sowohl in Sachsen als auch in Brandenburg massiv an Stimmen – auch an die AfD. Prompt sprach Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch von einem „beispiellosen Desaster“, die Abgeordnete Sevim Dagdelen sieht ihre Partei gar in einer „existenziellen Krise“.
Offenbar trifft die ursprünglich im Osten verankerte Linke die Stimmung in Ländern wie Brandenburg und Sachsen nicht mehr. „Die AfD bedient die Zukunftsängste besser als die Linkspartei“, meint der Berliner Politikwissenschaftler Nils Diederich dazu.
Gerade zu dem Zeitpunkt, an dem selbst Konservative die Linke als demokratische Partei anerkennen, verliert sie ihren Nimbus als Volkspartei. „Die Linke gehört längst zum politischen Establishment“, findet auch Politik-Professor Diederich. Nun treffe auch sie der Verlust an Vertrauen. Zwar hat die Linkspartei schon früher Proteststimmen an die AfD verloren. Dafür liefen klassische sozialdemokratische Wähler zu ihnen über, die von der SPD und der großen Koalition enttäuscht waren. Diese Gleichung ging bei den Wahlen in Sachsen und Brandenburg nicht mehr auf. Die Linke verlor selbst an die SPD und konnte kaum Nichtwähler mobilisieren.
Erschwerend kommt für SED-Nachfolger hinzu, dass ihre Milieus in Ostdeutschland bröckeln. Die Partei hat nicht mehr die Präsenz früherer Tage bei ihren Wählern. Die Westausdehnung hat Kapazitäten der Linkspartei aus dem Osten abgezogen, eine neue politische Mittelschicht aus dem Westen hat wichtige Schaltstellen besetzt. Das führte zu einer Entfremdung zwischen Ost-Bürgern und der Linken.
Auch die zahlreichen Ost-Rückkehrer können mit den Milieus der Linkspartei wenig anfangen. Sie pflegen ihren westlichen Lebensstil jetzt im Osten. Und so könnte es, was den Zuspruch der Wähler angeht, in nicht allzu ferner Zukunft keinen Unterschied mehr zwischen West- und Ostdeutschland geben.