Das Thema Wurst ist noch nicht gegessen
Fleischfreie Waren drängen die Currywurst aus dem Sortiment der Rügenwalder Mühle. Pflanzenfleisch bleibt in Deutschland aber eine Nische.
BAD ZWISCHENAHN Alles hat ein Ende, nur die Wurst hat zwei? Eher nicht. Die Wurst hat in Deutschland wohl erst einmal gar kein Ende. Denn obwohl Godo Röben, Chef des großen deutschen Fleischproduzenten Rügenwalder Mühle, bis Ende September seine Currywurst aus dem Sortiment verbannt und noch mehr auf vegetarische Schinken Spicker und veganes Steak setzt: Branchen-Experten schätzen die Chancen der pflanzlichen Alternative für Deutschland gering ein.
Von einer Nische ist die Rede.
28 Produkte gehören zum Sortiment der Rügenwalder Mühle, davon sind 18 vegetarisch, sechs vegan und nur noch zehn aus Fleisch – passend zur Aussage des damaligen Marketingchefs und heutigen Geschäftsführer Godo Röben: „Wurst ist die Zigarette der Zukunft.“ein Fleischproduzent, der über ein Drittel seines Umsatzes (38 Prozent) mit Fleischersatzprodukten generiert? Ein skurriler Gegensatz. Doch er funktioniert, und das schon seit 2014, als die Rügenwalder Mühle als erster Fleischproduzent vegetarische Produkte einführte. Und das Geschäft boomt. Der Umsatz stieg 2018 um um elf Millionen auf 212 Millionen Euro. Am Standort in Bad Zwischenahn lässt Godo Röben derzeit ein neues, 10.000 Quadrameter großes Werk bauen – nur für die Produktion und Verpackung von fleischfreien Produkte. Geplantes Gesamtinvestitionsvolumen:
„ein hoher zweistelliger Millionenbetrag“. Doch während der Marktführer bei Pflanzenfleisch (38 Prozent Marktanteil) sich im Erfolg sonnt und Marketing-Profi Godo Röben sich als Pionier der Fleischersatzprodukte präsentiert („Ich würde niemals mehr zu einer Schweineoder Geflügelmortadella greifen.“;
„Es ist an der Zeit, mal 50 Prozent weniger Tiere zu essen.“; „Wir sind Auge in Auge mit Beyond Meat.“), bleibt der Trend der fleischfreien Wurst wohl erstmal nur ein Trend – zumindest in Deutschland. International nimmt das Thema tatsächlich an Fahrt auf. Röben zitiert gerne Studien, laut denen der Markt in den nächsten zehn Jahren auf zwischen 100 und 400 Milliarden Dollar wachsen soll.
Hierzulande denkt man anders darüber: „Wenn dies die Neuausrichtung der Branche wäre, würde nicht allein Rügenwalder so agieren. Es gibt auf der anderen Seite Fleischunternehmen, die inzwischen die Produktion fleischloser Produkte wieder eingestellt haben“, sagt Heike Harstick, Hauptgeschäftsführerin des Verbandes der Fleischwirtschaft. Fleischersatzprodukte hätten zwar eine gewisse Verbreitung gefunden, im Verhältnis zu natürlichem Fleisch und Erzeugnissen daraus sei der Anteil aber gering. Laut Thomas Vogelsang, Geschäftsführer des Bundesverbandes der Deutschen Fleischwarenindustrie, liege der Anteil derzeit sogar bei nur einem Prozent: „Das ist erstaunlich,
denn viele Verbraucher sagen, sie wollen mehr Tierwohl. So ein Angebot besteht aber schon seit Jahrzehnten im Biobereich. Nur aufgrund des höheren Preises wird das nicht nachgefragt.“Die Statistik zeige laut Heike Harstick außerdem, dass sich der Fleischverzehr in Deutschland pro Kopf seit Jahren auf demselben Niveau von rund 60 Kilogramm pro Jahr bewegt. „Deshalb kann es nur wenigen Unternehmen gelingen, sich in dieser Nische zu etablieren.“
Dass die Rügenwalder Mühle aber weiter vermehrt auf fleischfreie Produkte setzt, findet Thomas Vogelsang verständlich: „Fleischproduzenten haben es sehr schwer.“Zum Beispiel wegen der geringen Anzahl an Einzelhandelsunternehmen in Deutschland, die eine enorme Marktmacht hätten – falle man bei einem raus, sei das gravierend. Auch unter Klimaschutz-Aspekten gerät Fleisch in Bedrängnis.
Ähnlich lief das mit dem Aus der Mühlen-Currywurst. Röben: „Das Vermarktungsumfeld ist sehr schwierig: Wir sind nicht alleine auf diesem Markt, der sehr vom Preis und von Sonderaktionen getrieben ist – das merkt man natürlich dann auch an den Volumina, die zuletzt nicht mehr unseren Vorstellungen entsprochen haben.“