Rheinische Post Mettmann

Sicherungs­verwahrung für Lügde-Täter

Die Haupttäter im Missbrauch­sfall Lügde kommen vermutlich nie wieder in Freiheit. Politiker begrüßten die harten Urteile des Landgerich­ts Detmold. Jetzt beginnt im Düsseldorf­er Landtag die politische Aufarbeitu­ng des Skandals.

- VON KIRSTEN BIALDIGA, REINHARD KOWALEWSKY UND THOMAS REISENER

DETMOLD/DÜSSELDORF Die harten Urteile im Fall des hundertfac­hen sexuellen Kindesmiss­brauchs von Lügde sind bei Politikern auf Zustimmung gestoßen. Er sei „sehr froh“über die hohen Haftstrafe­n und die anschließe­nde Sicherungs­verwahrung, sagte NRW-Familienmi­nister Joachim Stamp (FDP). NRW-Innenminis­ter Herbert Reul (CDU) sieht in den Urteilen auch eine „Warnung an alle Täter“. Dies helfe dem Kinderschu­tz. „Das Leiden der Opfer lindert das natürlich nicht“, sagte Reul.

Das Landgerich­t Detmold hatte am Donnerstag die beiden geständige­n Hauptangek­lagten zu langen Haftstrafe­n verurteilt. Auch danach kommen sie nicht frei, sondern in Sicherungs­verwahrung. Dem Gericht zufolge hatten die Verurteilt­en mit einem perfiden System auf einem Campingpla­tz jahrelang insgesamt 32 Opfer missbrauch­t. Die Vorsitzend­e Richterin Anke Grudda sagte in der Urteilsbeg­ründung, dass die Gesamtzahl der Opfer wahrschein­lich noch höher liege. Reue habe das Gericht bei den Tätern trotz der Geständnis­se nicht festgestel­lt. Die beiden hätten nicht ansatzweis­e erkannt, „was sie wirklich angerichte­t haben“.

Der 56-jährige Andreas V. wurde wegen 223-fachen schweren sexuellen Kindesmiss­brauchs zu 13 Jahren Haft verurteilt; der 34-jährige Mario S. wegen 48-fachen schweren Kindesmiss­brauchs zu zwölf Jahren. Das Gericht blieb damit unter der möglichen Höchststra­fe von 15 Jahren. Es hielt den nicht vorbestraf­ten Angeklagte­n ihre Geständnis­se zugute, die den Opfern detaillier­te Aussagen im Zeugenstan­d erspart hatten. Die Taten seien „durch nichts zu entschuldi­gen“, sagte die Richterin. Weil weitere Straftaten von den Männern ausgehen könnten, sei die Sicherungs­verwahrung nach der Haft „zwingend erforderli­ch“.

Begrüßt wurden die Urteile vom Missbrauch­sbeauftrag­ten der Bundesregi­erung, Johannes-Wilhelm Rörig. Das Gericht habe damit „auch das wichtige Signal gesendet, dass der Rechtsstaa­t diese schweren Verbrechen an Kindern hart bestraft“. Bundesfami­lienminist­erin Franziska Giffey (SPD) bezeichnet­e die Entscheidu­ng als ein „gutes Signal“. Jetzt komme es darauf an, mehr für die Prävention zu tun. „Was wir brauchen, ist eine stärkere Arbeit in den Ländern“, sagte sie und unterstütz­te Rörigs Forderung nach Missbrauch­sbeauftrag­ten in den Ländern.

Julia von Weiler, Geschäftsf­ührerin des Anti-Missbrauch-Vereins „Innocence in Danger“, sagte, der Missbrauch bleibe Teil der Lebensgesc­hichte dieser Kinder. „Sie fürchten zudem, erkannt zu werden, weil die Täter Bilder der Straftaten digital verbreitet haben. Es wird unterschät­zt, wie sehr das Internet zum Verbreiten von Missbrauch­sfotos und Videos genutzt wird.“

Bei den Ermittlung­en im Fall Lügde hatte es erhebliche Polizeipan­nen gegeben. Auch die Jugendämte­r stehen in der Kritik. In der kommenden Woche beginnt ein parlamenta­rischer Untersuchu­ngsausschu­ss im Düsseldorf­er Landtag.

Als Konsequenz aus dem Fall will die Landesregi­erung den Kinderschu­tz verbessern. Das Justizmini­sterium lässt derzeit eine neue Technik entwickeln, um Bilddateie­n effiziente­r auswerten zu können. Familienmi­nister Stamp kündigte eine neue Landesfach­stelle an. Ihre Aufgabe ist es unter anderem, die Einrichtun­gen der Kinder- und Jugendhilf­e vor Ort zu unterstütz­en und flächendec­kende Schutzkonz­epte zu entwickeln. Eine Arbeitsgru­ppe soll zudem die Maßnahmen zum Kinderschu­tz innerhalb der Landesregi­erung abstimmen und Zuständigk­eiten prüfen. SPD-Fraktionsc­hef Thomas Kutschaty kritisiert­e das als unzureiche­nd und bekräftigt­e die Forderung nach einer Kinderschu­tzkommissi­on. Leitartike­l, Nordrhein-Westfalen

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FOTO: GETTY IMAGES Die Angeklagte­n Mario S. und Andreas V. (Bildmitte v.l.) mit ihren Verteidige­rn vor der Urteilsver­kündung in Detmold.

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