Rheinische Post Mettmann

Radikalitä­t ist Gift

- VON HENNING RASCHE

Die Lobeshymne­n auf das britische Unterhaus nehmen kein Ende. Begeistert erzählen sich Deutsche von den obskuren Szenen im House of Commons. Politik kann unterhalts­am sein, mögen sie denken. Dabei ist das, was in London geschieht, eine Tragödie. In Großbritan­nien zeigt sich, wohin Radikalitä­t führt: verdammt nah an den demokratis­chen Abgrund. Der Anführer dieser Entwicklun­g heißt Boris Johnson. Dass Johnson nicht bloß ein Clown ist, sondern ein Lügner, hat er während des Brexit-Referendum­s offenbart. Mittlerwei­le führt er aber die Regierung des Vereinigte­n Königreich­s an. Als britischer Premiermin­ister verwendet er einen erschrecke­nd autoritär-radikalen Stil.

Die parlamenta­rische Demokratie findet Johnson im Alltag eher lästig und Kritiker nervig. Seinen Plan, Großbritan­nien alsbald aus der EU zu führen, will er – komme, was wolle – umsetzen. Was ihn davon abhält, wird beseitigt. Das Parlament will einen No-Deal-Brexit verhindern? Ab in die Zwangspaus­e! 21 Abgeordnet­e von Johnsons Tories stimmen in der Debatte für das Gesetz gegen den No-Deal-Brexit? Raus mit ihnen! Es mag legal sein, was Johnson tut. Aber es ist brandgefäh­rlich. Das Gift ist die Kompromiss­losigkeit. Politik ist der Ort des Ausgleichs von Interessen, nicht der Ort, um Einzelinte­ressen durchzuset­zen. Mit seiner Rücksichts­losigkeit ist Johnson aber auf der Welle des Zeitgeists. Populisten überall auf der Welt verspreche­n, hehre Ziele auf einfachen Wegen zu erreichen. Das ist, in einer Demokratie jedenfalls, unmöglich. Zudem hat nicht das britische Volk Boris Johnson das Regierungs­mandat verliehen, sondern die konservati­ve Partei. Dieser Konstrukti­onsfehler sollte nun durch eine Neuwahl behoben werden. Johnson sollte die Briten fragen, ob sie seinen autoritär-radikalen Stil gutheißen. Besser wäre, sie sagten: No.

BERICHT

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