Schulleiterin stellt sich hinter Lehrer
Nach dem Tod einer 13-Jährigen in London äußert sich die Gladbacher Schule.
MÖNCHENGLADBACH Im Fall der 13-Jährigen, die während einer Klassenfahrt nach London am 30. Juni gestorben ist, hat sich nun die Schulleitung geäußert. Sie stellt sich hinter die Lehrer, die die Klassenfahrt begleitet haben. „Die Kollegen, die die Schülerinnen und Schüler nach London begleitet haben, sind höchst gewissenhaft und zuverlässig, und ich habe als Schulleiterin das vollste Vertrauen in sie“, erklärte Raphaela Hahn, Leiterin der Mönchengladbacher Theo-Hespers-Gesamtschule, in einer Mitteilung an mehrere Medien.
Nachdem der vom Vater der 13-Jährigen eingeschaltete Rechtsanwalt Klaus Voßmeyer Anzeige erstattet hat, ermittelt die Staatsanwaltschaft Mönchengladbach wegen des Verdachts der fahrlässigen Tötung. Mitschüler der 13-Jährigen hätten Lehrer darauf hingewiesen, dass es dem an Diabetes Typ 1 leidenden Mädchen schlecht gehe, sagt Voßmeyer. Die Lehrer hätten die Hinweise jedoch nicht ausreichend beachtet und viel zu spät ärztliche Hilfe gerufen. Zumal in Unterlagen für die Klassenfahrt vermerkt gewesen sei, dass das Mädchen Diabetikerin war.
Der Tod der Schülerin sei für alle Lehrkräfte, Schüler und Eltern „ein tragischer Verlust gewesen“, teilte die Schulleiterin jetzt mit. Die Schulgemeinschaft fühle mit dem Vater und der Mutter der 13-Jährigen. Gegenüber unserer Redaktion hatte sie zunächst erklärt, sie sei zu keiner Stellungnahme in dem Fall befugt, und hatte an die Bezirksregierung Düsseldorf verwiesen. Nach Angaben Hahns wurde der Todesfall gemeinsam mit dem Schulpsychologischen Dienst der Stadt Mönchengladbach, der Notfallseelsorge, der Bezirksregierung und allen Betroffenen „intensiv hinterfragt“. Die „offenen Fragen für die Schulgemeinschaft“seien geklärt, und
Schulleiterin
allen Mitgliedern der Schule sei die Gelegenheit gegeben worden, „ihre Sorgen und Gedanken offen zu äußern“.
Der tragische Fall wirft Fragen auf. Welche Aufsichtspflicht haben Lehrer generell? Den „Richtlinien für Schulfahrten“des NRW-Schulministeriums zufolge muss auf Schüler mit Behinderungen oder chronischen Erkrankungen Rücksicht genommen werden. Art und Umfang der Aufsicht richten sich nach Alter, Entwicklung und Verantwortungsbewusstsein des Kindes.
„Eine lückenlose Kontrolle von Schülern auf Klassenfahrten ist weder möglich noch nötig“, sagt Udo Beckmann, Bundesvorsitzender des Verbands Bildung und Erziehung (VBE). „Lehrer sollten den Schülern auch Freizeit gewähren.“Es müsse aber jederzeit eine Begleitperson erreichbar sein.
Lehrer haben laut Beckmann die Aufsichtspflicht und tragen Sorge dafür, dass niemand gefährdet wird. Die Unterstützung von Schülern mit chronischen Erkrankungen ist dem Schulministerium zufolge aber nicht Bestandteil der Lehrer-Ausbildung. Die Pflicht zu Erster Hilfe bestehe aber auch auf Klassenfahrten.
„Wenn ein Kind krank wird, sollte der Lehrer einen Arzt zurate ziehen. Ein Lehrer ist kein Mediziner“, sagt Beckmann. „Schüler mit chronischen Krankheiten stellen Lehrer oft vor Schwierigkeiten.“Der VBE fordert, bundesweit Schulgesundheitsfachkräfte an Schulen anzustellen.
Eine wichtige Rolle bei der Prävention von Notfällen auf Klassenfahrten kommt den Eltern zu: Sie sollten die Schule umfassend über die chronische Erkrankung und die erforderliche medizinische Maßnahme informieren, rät das Schulministerium. Lehrer haften dem Ministerium zufolge nur dann, wenn sie die Körper- oder Gesundheitsschädigung vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführt haben. „Eine gewisse juristische Grauzone bleibt aber immer“, sagt Udo Beckmann. „Das ist das Restrisiko, das Lehrer eingehen.“
„Die Kollegen sind höchst gewissenhaft und zuverlässig, ich habe das vollste Vertrauen in sie“
Raphaela Hahn