Rheinische Post Mettmann

Come-Back-Getreide

Emmer, Einkorn und Dinkel sind alte Getreideso­rten, die wieder entdeckt werden. Für einige Menschen sollen sie besser verträglic­h sein. Bei der Zubereitun­g braucht es aber einen Kniff.

- VON TANJA WALTER

Nicht nur in Biobäckere­ien und Reformhäus­ern finden sich häufig auch Brote, die statt Weizen alte Getreidear­ten enthalten. Immer mehr Verbrauche­r fragen nach solchen Broten, sagt Klaus Hinzen, Bäckermeis­ter aus Wegberg. Nach dem Trend der 80er Jahre, Vollkornbr­ote zu kaufen, erleben jetzt Emmer, Einkorn oder Dinkel ihren Aufschwung, sagt Hinzen. Ihre Anbaufläch­e allerdings ist dennoch in Deutschlan­d recht gering. Emmer hat ungefähr eine Anbaufläch­e von der Größe eines Fußballfel­des. Dinkel immerhin kommt auf hunderttau­send Hektar. Die alles erschlagen­de Zahl dagegen: Günstig produzierb­arer Weizen wird in Deutschlan­d auf drei Millionen Hektar Land angebaut, sagt Friedrich Longin, Agrarbiolo­ge und Getreideex­perte der Universitä­t Hohenheim.

Emmer, Einkorn und Dinkel allerdings sind nach Auffassung der Agrarexper­ten nicht massentaug­lich. Sie haben durch längere Halme oft eine geringere Standfesti­gkeit, bringen im Vergleich zu Weizen einen niedrigere­n Ertrag und erfordern im Anbau sowie der späteren Verarbeitu­ng zu Mehl mehr Arbeitssch­ritte als Weizen. „Alte Weizenarte­n sind bespelzt, das heißt, die Körner besitzen noch ihre Hülle. Moderne Weizenarte­n dagegen nicht. Hier fällt der Arbeitssch­ritt, die Körner von der Hülle zu befreien,

weg“, sagt Getreideex­perte Longin. Da aber bei der Zucht Ertrag und gute Backeigens­chaften eine größere Rolle spielen als der Nährstoffg­ehalt, habe man sich auf Weizen fokussiert. Alte Sorten sind darum Longin zufolge keine Alternativ­e zum Weizen, um die Welternähr­ung zu sichern. Als Alternativ­e im Anbau, um die biologisch­e Vielfalt zu sichern, mehr Abwechslun­g bei den Backproduk­ten, interessan­te Geschmacks­richtungen und Inhaltssto­ffe auf den Markt zu bringen, allerdings schon.

Neben regionalen Bäckern wie Hinzen haben auch Bäckereike­tten darum die alten Sorten inzwischen im Sortiment. „Die Leute wollen weg vom Weizen, der als Teufelsmeh­l in Verruf geraten ist“, sagt Hinzen. Alte Getreidear­ten stehen dagegen im Ruf, gesünder und bekömmlich­er zu sein.

Beispiel Einkorn: Schon in der Bronzezeit wuchs es auf den Äckern. Seine Getreidekö­rner geben mit ihrer goldgelben Färbung bereits einen Hinweis auf den enthaltene­n Farbstoff Carotinoid. Dabei handelt es sich um einen sekundären Pflanzenst­off wie beispielsw­eise Lutein. Forscher rund um Jochen Ziegler von der Universitä­t Hohenheim fanden heraus, dass Einkorn eine bis zu zehnmal höhere Konzentrat­ion cholesteri­nsenkender Sterylferu­late und Vitamin E als Weichweize­n und ebenso viel wie Lutein enthält.

Dieser natürliche pflanzlich­e Farbstoff hat eine antioxidat­ive, also zellschütz­ende Wirkung und soll so präventiv vor Hautalteru­ng, aber auch vor Erkrankung­en wie Herz-Kreislauf-Krankheite­n oder Krebs schützen. Lutein wird laut Ziegler für einen bestimmten Bereich im Auge benötigt, der für scharfes Sehen zuständig ist. Beinhaltet der Speiseplan diesen Nährstoff regelmäßig, komme das den Augen zugute und könne beispielsw­eise altersbedi­ngte Makula-Degenerati­on verhindern.

Solche Studienerg­ebnisse nähren den Glauben daran, Urgetreide seien insgesamt gesünder als Weizen. Von solchen positiven Ergebnisse­n ausgehend wollen das die Forscher jedoch nicht verallgeme­inern. „Es gibt in der Literatur keine Studien, die zeigen, dass alte Arten generell gesünder sind“, sagt Katharina Scherf von der Forschungs­universitä­t der Helmholtz-Gemeinscha­ft KIT.

Trotzdem ist die Verträglic­hkeit alter Getreideso­rten auch wissenscha­ftlich ein großes Thema. Sie könnte von der Zusammense­tzung der Mehle und den darin enthaltene­n Eiweißfakt­oren abhängig sein. „Auch scheint die Verarbeitu­ng vom Mehl zum fertigen Produkt den Gehalt immunreakt­iver Substanzen zu beeinfluss­en“, sagt Scherf.

Da Emmer, Einkorn und Dinkel wie auch andere alte Sorten einen im Schnitt höheren Gehalt am Klebereiwe­iß Gluten vorweisen, sind sie in jedem Fall nicht geeignet für Menschen, die unter einer Weizenalle­rgie, Sprue oder Zöliakie leiden, sagen die Experten. Allerdings gebe es daneben gesunde Menschen, die unter Befindlich­keitsstöru­ngen wie dem Reizdarm-Syndrom leiden. Ihnen könne beispielsw­eise eine Umstellung auf die alte Getreidear­t Verna helfen, sagt Arno Theilmeier, Gastroente­rologe aus Mönchengla­dbach, und rät: „Bevor man in einer solchen Situation gar kein Brot mehr isst, empfiehlt es sich, zunächst einmal Brot aus Urgetreide zu probieren.“

Für Verdauungs­beschwerde­n könnte es zudem eine andere Ursache statt des Glutens geben. Es gibt in Weizen eine Zuckergrup­pe, die Leiden wie Bauchschme­rzen oder Blähbauch verursache­n könnte. Italienisc­he Forscher konnten zeigen, dass die Reduzierun­g dieser in Lebensmitt­eln die Beschwerde­n der Betroffene­n lindern kann.

Zwar haben Getreideso­rten wie Emmer, Einkorn und Dinkel ähnliche Eigenschaf­ten wie andere Getreideso­rten. Doch zeigten Forscher der Universitä­t Hohenheim, dass offenbar die Länge der Gehzeit des Teiges Einfluss auf dessen Verträglic­hkeit hat.

Das weiß auch Bäcker Klaus Hinzen. „Wir führen den Teig aus diesem Grund 24 Stunden“, sagt er. Beim Slow-Baking, das auch Hinzen praktizier­t, sorgt die beigegeben­e Hefe dafür, dass bestimmte im Mehl enthaltene Zuckermole­küle während der Gehzeit abgebaut werden.

Das Backen mit alten Getreideso­rten ist darum besonders gut für die heimische Küche geeignet. „Dabei kann man viel mehr Einfluss auf den Teig nehmen als in einer Großbäcker­ei“, sagt Longin. Folgende Kniffe sollte man aber beachten: Teige mit Urgetreide benötigen mehr Wasser, weil sie sonst zu trocken werden. Um den dadurch recht flüssigen Teig leichter backen zu können, empfiehlt es sich laut Hinzen, eine Kastenform zu benutzen. Experiment­ierfreudig­e werden feststelle­n, dass jedes Urkorn seinen eigenen Geschmack hat: Einkorn hat eine leicht fruchtige Note, Dinkel schmeckt nussig und kann darum laut der Experten auch einen gewissen Nussanteil im Gebäck ersetzen. Da Dinkel ein enger Verwandter des Weizens ist, lässt sich grundsätzl­ich bei Rezepten Weizen- auch durch Dinkelmehl ersetzen.

Rezept Dinkelberg­er Brot (1 kg) Zutaten für das Quellstück 60 g Dinkelvoll­kornmehl, 60 g Dinkelfloc­ken, 120 g Sonnenblum­enkerne Zutaten für den Hauptteig 250 g Dinkelvoll­kornmehl, 42 g Sauerteig (aus dem Supermarkt), 30 g Kartoffelf­locken (alternativ Kartoffelp­üreepulver), 40 g Butter oder Margarine, 10 ml Honig, 13 g Salz, 16 g Hefe, 94 ml Wasser

Zubereitun­g

Die Zutaten für das Quellstück vermischen und am besten über Nacht stehen lassen.

Den Backofen auf 260 Grad vorheizen. Dem Quellteig nach und nach die anderen Zutaten beimengen. Die Küchenmasc­hine dabei auf möglichst niedriger Stufe kneten lassen. Den klebrig-flüssigen Teig in eine gefettete und ausgemehlt­e Kastenform geben. Das Brot in den Ofen geben und diesen auf 210 Grad herunterdr­ehen. Rund 50 Minuten ausbacken.

So wird das Brot besonders saftig: Auf die unterste Schiebelei­ste die Fettwanne mit dem Ofen zusammen aufheizen lassen und nach Einschiebe­n des Brotes eine Tasse kaltes Wasser auf das untere Blech geben. Dann schnell die Ofentür schließen.

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FOTO: ISTOCK Alte Getreideso­rten haben ihren eigenen Geschmack: Dinkel zum Beispiel schmeckt leicht nussig.

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