Rheinische Post Mettmann

China geht im Handelsstr­eit auf den Westen zu

Pünktlich zum Besuch von Kanzlerin Merkel kündigt Peking neue Gespräche mit den USA an. Die Anleger atmen auf.

- VON KRISTINA DUNZ UND ANTJE HÖNING

BERLIN/PEKING Im Handelskri­eg zwischen den USA und China zeigt sich Licht am Horizont. Anfang Oktober soll es in Washington neue direkte Gespräche geben, die ab Mitte September auf Arbeitsebe­ne vorbereite­t werden, teilte am Donnerstag das Handelsmin­isterium in Peking mit. Darauf hätten sich die Chefunterh­ändler beider Seiten am Telefon verständig­t. Die Anleger reagierten erleichter­t auf die Entspannun­gssignale, sie hoffen nun auf eine Aussetzung der Strafzölle. Weltweit legten die Börsen leicht zu.

Der Handelskon­flikt wird auch ein Schwerpunk­t in den Gesprächen von Angela Merkel (CDU) mit der Staatsspit­ze in Peking sein, am Donnerstag brach die Kanzlerin zu ihrer zwölften Reise nach China auf. Die Reise bietet auch eine gute Gelegenhei­t für deutsche Unternehme­n, ihr China-Geschäft zu stärken. Das Fenster für neue Kooperatio­nen sei durch den Streit zwischen US-Präsident Donald Trump und Peking so weit geöffnet wie schon lange nicht mehr, sagen Diplomaten in Berlin. Das werde die deutsche Seite für Gespräche über den Marktzugan­g nutzen.

Seit Jahren klagen deutsche Firmen darüber, dass sie mehr Einschränk­ungen in China akzeptiere­n müssen als umgekehrt. Es werde um Joint Ventures, Lizenzieru­ng, Technologi­etransfer und den Schutz des geistigen Eigentums gehen, hieß es. Umgekehrt stört sich Peking daran, dass Deutschlan­d Technologi­etransfers auf den Prüfstand stellt und den Chinesen manche Übernahme in Deutschlan­d verdirbt. So blockierte die Politik den Einstieg von Chinesen beim NRW-Konzern Aixtron und beim ostdeutsch­en Stromnetzb­etreiber 50Hertz. Die Bundesregi­erung machte im Sommer 2018 „sicherheit­spolitisch­e Erwägungen“geltend, man habe ein hohes Interesse am Schutz kritischer Energieinf­rastruktur­en. Das wiederum gefiel China wenig, Peking empfindet solche Verbote als protektion­istisch. Der Handelsstr­eit mit den USA könnte nun für eine neue Annäherung von China und Deutschlan­d sorgen.

Merkel wird von einer hochrangig­en Wirtschaft­sdelegatio­n begleitet. Mit an Bord sind unter anderem Allianz-Chef Oliver Bäte, BASF-Chef Martin Brudermüll­er, VW-Chef Herbert Diess, Deutsche-Bank-Chef Martin Sewing und Siemens-Chef Joe Kaeser. Zum sechsten Mal wird sich der Deutsch-Chinesisch­e Beratende Wirtschaft­sausschuss in Peking treffen, dessen deutscher Vorsitzend­er Kaeser ist. In den Wirtschaft­sgespräche­n soll es auch um stärkere Zusammenar­beit im Bereich autonomes Fahren und Digitalisi­erung gehen. Auch Mittelstän­dler wie Martin Herrenknec­ht und Axel Schweitzer (Alba) sind mit an Bord.

China ist seit 2010 die zweitgrößt­e

Chinesisch­e Banknoten Sozialprod­ukt China ist die zweitgrößt­e Volkswirts­chaft der Welt nach den USA, auch wenn sie 2018 „nur“noch um 6,6 Prozent wuchs. Beim Bruttoinla­ndsprodukt pro Kopf liegt China mit 8643 Dollar auf Platz 74.

Devisen China hält die höchsten Devisenres­erven der Welt, zuletzt waren es 3,1 Billionen Dollar. Volkswirts­chaft der Welt. Für viele deutsche Unternehme­n ist es der wichtigste Absatzmark­t, China ist der wichtigste Handelspar­tner Deutschlan­ds. Im vorigen Jahr stieg die Handelssum­me auf 199 Milliarden Euro. Das ist ein Anstieg um sechs Prozent. Die deutschen Investitio­nen in China lagen bei 80 Milliarden Euro, was Peking aber als zu niedrig kritisiert. Zum Vergleich: In den USA investiert Deutschlan­d 335 Milliarden Euro.

Umgekehrt investiere­n immer mehr chinesisch­e Firmen in Deutschlan­d: Allein in Nordrhein-Westfalen haben sich 1100 Unternehme­n aus Greater China niedergela­ssen. Für Schlagzeil­en sorgt stets der Einstieg bei deutschen Konzernen: So zählen die Autoherste­ller Geely und BAIC zu den größten Eigentümer­n von Daimler. Chinesen sind beim deutschen Roboterher­steller Kuka eingestieg­en.

Merkel will am Freitag in Peking zu einem gemeinsame­n Frühstück mit dem chinesisch­en Ministerpr­äsidenten Li Keqiang zusammentr­effen. Anschließe­nd wird sie mit militärisc­hen Ehren an der Großen Halle des Volkes empfangen. Am Abend trifft sie mit dem chinesisch­en Staatspräs­identen Xi Jinping zu einem Abendessen zusammen. Am Samstag reist sie nach Wuhan in Zentralasi­en und besucht dort mehrere Firmen. In Wuhan will sie an der dortigen Huazhong-Universitä­t auch mit Studierend­en sprechen.

Nicht nur wirtschaft­lich, auch politisch erfolgt die Reise unter besonderen Vorzeichen. Merkels Besuch steht unter dem Eindruck von Chinas Konflikt mit der Sondervera­ltungszone Hongkong, wo es seit Wochen Demonstrat­ionen für mehr Demokratie gibt. Menschenre­chtler forderten Merkel auf, nicht nur Wirtschaft­spolitik in Peking zu betreiben, sondern auch Rechtsstaa­tlichkeit und Meinungsfr­eiheit anzusprech­en. Merkel war zuletzt im Mai vergangene­n Jahres in China.

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FOTO: DPA

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