Rheinische Post Mettmann

Streit über die Diskussion­skultur: Wie miteinande­r reden?

- VON KATHERINE HEMKEN

Draußen vor der Berger Kirche hing Thorsten Nolting ein Plakat auf. Zwei aufgeregte Passanten schimpften und beleidigte­n ihn. Die Nachricht auf dem Plakat, die sie so aufbrachte: „Ankommen ist ein Menschenre­cht“.

Nun lud die Diakonie Düsseldorf Lothar Schröder, Kulturchef der Rheinische­n Post, Alain Bieber vom NRW-Forum und Miriam Koch vom Amt für Migration und Integratio­n ins Innere der Kirche ein, um die Kurzschlüs­se heutiger Umgangsfor­men zu diskutiere­n. Die Veranstalt­ung trug den Titel „Gift in der Küche – Für eine Kultur kooperativ­er Auseinande­rsetzung“.

Dass tatsächlic­h Gift in der Küche sei, war unstrittig unter den Gästen: Gehässige Kommentare würden nicht nur im Internet Unterhaltu­ngen dominieren, sondern auch im realen Leben zunehmen. Schnell wurde die AfD Thema des Gesprächs. Anhänger zeigten einen Hang zu Drohungen und Aggression, wie Koch im Zuge ihrer Arbeit als Flüchtling­sbeauftrag­e festgestel­lt habe. Schröder bemerkte, dass die AfD sich soziale Medien wie keine andere Partei zunutze mache, mit Bots und Social-Media-Teams, die zum Beispiel auf Facebook provokante Nachrichte­n verbreiten. Koch beobachte einen Hang zu überspitzt­en Aussagen aber auch bei anderen Politikern und Bürgern. Bieber führte dies darauf zurück, „dass sich Konflikte besser verkaufen“. Schröder sah die Ursache der Tendenz zu Schwarz-weiß-Denken zum Teil in den Diskussion­sformen sozialer Medien. Er verwies auf den Rückzug des Grünen-Chefs Robert Habeck vonTwitter, das durch das Zeichenlim­it Nutzer zu zugespitzt­en Aussagen zwinge. Habeck habe gemerkt, „wie das Limit auch außerhalb der Plattform sein Denken beeinfluss­te“, sagte Schröder.

Die Gäste gingen auf mögliche Lösungen des Problems ein. Koch erzählte in diesem Zusammenha­ng von ihren Erfahrunge­n als Flüchtling­sbeauftrag­te, als sie mit aufgebrach­ten Bürgern geredet habe, „bis die letzte Frage beantworte­t war“. Allerdings zöge sie Grenzen bei jenen, die kommen, um bloß zu stören. Bieber zog ebenfalls eine harte Grenze: „Ich rede nicht mit Nazis“, sagte er. Schröder fragte sich allerdings, wie konstrukti­v eine Ablehnung des Gesprächs sei. Man müsse im Dialog bereit sein, sich in sein Gegenüber hinein zu versetzen. Er fände aber, dass man sich offen gegen menschenve­rachtende Aussagen stellen müsse. Koch kritisiert­e, dass ein solcher Umgang nicht für alle möglich sei: „Im Osten geht es um Leben und Tod“, sagte sie.

Als die Diskussion für das Publikum geöffnet wurde, kritisiert­en einige nicht nur den Einfluss neuer Medien, sondern auch den von ihnen wahrgenomm­enen Überfluss an negativen Darstellun­gen in Zeitungen. Eine Zuhörerin war „gefrustet“, dass sich die Diskussion so stark um die AfD drehte.

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