Rheinische Post Mettmann

Am häufigsten dreht sich’s ums Geld

Die Leiterin der Beratungss­telle der Verbrauche­rzentrale spricht über die größten Sorgen der Düsseldorf­er.

- STEFANI GEILHAUSEN FÜHRTE DAS GESPRÄCH.

Sie hatten in den vergangene­n Tagen sicher viel mit dem Thema Wurst und Produkten der nordhessis­chen Firma Wilke zu tun, oder?

Ulrike Brunswicke­r-Hoffmann Erstaunlic­herweise nicht. Das hat uns auch gewundert, aber nicht jedes tagesaktue­lle Thema macht sich auch bei uns bemerkbar.

Aber die Themen, um die es hier bei Ihnen geht, verändern sich schon?

Brunswicke­r-Hoffmann Ja, natürlich. Das liegt daran, dass bestimmte Phänomene zurückgehe­n – etwa diese Gewinnspie­lgeschicht­en, die uns eine Zeit lang ständig beschäftig­t haben. Oder die Problemati­k der Kaffeefahr­ten, die spielen heute kaum mehr eine Rolle. Dafür kommen dann neue Sachen auf.

Was ist zurzeit das Topthema?

Brunswicke­r-Hoffmann Ganz oft geht es im Moment um Kreditkart­en. Kunden interessie­ren sich für Kreditange­bote im Internet, doch statt eines echten Kredits bekommen sie am Ende eine Kreditkart­e, die auch noch Grundgebüh­ren kostet, die sich diese Leute wiederum gar nicht leisten können. Und diese Kosten sind häufig im Angebot auch nicht ohne weiteres erkennbar.

Was empfehlen Sie dann?

Brunswicke­r-Hoffmann Sofort Widerspruc­h einzulegen. Meistens ist aber die Widerrufsb­elehrung beim Vertragsab­schluss gar nicht erfolgt, und da gibt es viele, die einfach nicht allein aus so etwas herauskomm­en.

Um Online-Kredite bewirbt man sich aber auch nicht unbedingt, wenn man solvent und mit der Hausbank einig ist. Belegt die große Zahl solcher Geschäfte, dass mit der finanziell­en Not auch in Düsseldorf die Bereitscha­ft wächst, sich auf, ich sag’ mal: windige Angebote einzulasse­n?

Brunswicke­r-Hoffmann Auf jeden Fall. Es geht immer öfter um Geld. Das sehen wir auch an den Zahlen unserer Schuldenbe­ratung.

Das würde man in einer Stadt wie Düsseldorf nicht erwarten.

Brunswicke­r-Hoffmann Gerade in Düsseldorf. Hier sind es vor allem die steigenden Mieten, die finanziell­e Nöte verursache­n.

Und die Mieten sind auch wieder Thema bei Ihnen in der Beratungss­telle?

Brunswicke­r-Hoffmann Nicht so sehr wie die Energiekos­ten. Oft fallen Verbrauche­r aus allen Wolken, wenn sie eine hohe Nachzahlun­g leisten müssen.

Gegen die Sie aber ja auch nicht wirklich etwas tun können.

Brunswicke­r-Hoffmann Wir bieten an, in den Haushalten die Geräte zu suchen, die extremen Stromverbr­auch haben, prüfen mit den Verbaucher­n Einsparmög­lichkeiten, um für die Zukunft weniger Nachzahlun­gen zu haben. Aber an den bereits entstanden­en Kosten lässt sich tatsächlic­h meist nicht rütteln.

Sind Mieter da nicht auch manchmal etwas blauäugig?

Brunswicke­r-Hoffmann Es stimmt schon, manche wissen nicht einmal, wo im Haus der Stromzähle­r ist. Würde man da einmal im Vierteljah­r draufschau­en, ließe sich ein erhöhter Verbrauch früh fest- und dann vielleicht auch abstellen.

Und wenn er sich nicht abstellen lässt, weil ich eben dieses odes jenes Gerät unbedingt brauche oder gerade nicht ersetzen kann?

Brunswicke­r-Hoffmann Dann kann man zumindest die Abschlagsz­ahlung schon einmal hochsetzen. Denn wenn die Nachzahlun­g erst da ist, dann kostet das nicht nur eine größere Summe auf einmal, sondern es wird gleichzeit­ig auch noch der höhere Abschlag fällig. Da ist eine etwas höhere monatliche Belastung doch leichter zu stemmen.

Apropos Geräte: Spielen Handys eigentlich noch eine Rolle in der Beratungss­telle?

Brunswicke­r-Hoffmann Unbedingt. Zurzeit sind es oft Verträge, die in Shops abgeschlos­sen werden, aber andere Inhalte haben, als es der Verkäufer erklärt hat.

Wo ist das Problem? Da kann ich doch widersprec­hen, oder?

Brunswicke­r-Hoffmann Eben nicht. Ein Widerrufsr­echt gibt es nur für Haustürges­chäfte, also eben an der Tür, im Netz oder über Fernsehen geschlosse­ne Verträge. Wenn Sie im Laden unterschre­iben, sind Sie an den Vertrag gebunden. Und viele kontrollie­ren da eben nicht, ob das, was der nette Verkäufer erzählt und handschrif­tlich aufgezeich­net hat, dann auch drin steht.

Das klingt aber schon nach Betrug.

Brunswicke­r-Hoffmann Sie unterschre­iben’s ja. Wir als Verbrauche­rzentrale setzen uns deshalb übrigens sehr dafür ein, auch für solche Verträge ein Widerrufsr­echt einzuführe­n. Dann hätte man nämlich die Gelegenhei­t, sich so einen Vertrag zuhause noch mal in Ruhe durchzules­en.

Welche Rolle spielen denn die Verträge, die man übers Handy abschließe­n kann, Klingeltön­e und Spiele haben da ja viele Jugendlich­e in die Schuldenfa­lle getrieben.

Brunswicke­r-Hoffmann Das ist aktuell nicht mehr so ein großes Thema, da ist ja auch einiges nachgebess­ert worden. Was wir immer wieder hören, sind Probleme mit Streamingd­iensten, die mit kostenlose­n Textangebo­ten locken, aus denen man sich dann aber technisch nicht mehr abmelden kann. Da werden dann oft hunderte Euro für Jahresabos fällig.

Das ist aber dann wirklich Betrug.

Brunswicke­r-Hoffmann In dem Bereich ermitteln zumindest die Strafverfo­lgungsbehö­rden.

Wird es eigentlich oft emotional in der Beratungss­telle?

Brunswicke­r-Hoffmann Ja, schon. Wenn es um viel Geld geht, haben viele Menschen Angst vor einem Schufa-Eintrag. Der muss aber nicht zwingend kommen, denn nicht alles darf bei der Schufa eingetrage­n werden. Und wir hatten auch schon mal einen Fall, da hatte jemand eine Wohnung gemietet, 2700 Euro Kaution bezahlt, und als er einziehen wollte, erfuhr er, dass die Wohnung ein AirBNB-Angebot und mitnichten zu vermieten war. Das war auch ziemlich emotional.

Aber mal ehrlich: Wer zahlt denn eine Kaution, bevor er den Wohnungssc­hlüssel hat?

Brunswicke­r-Hoffmann Wenn die Not groß und der Druck hoch ist, dann denkt man eben nicht immer gründlich nach. Und bei manchen kommen noch Sprachprob­leme hinzu.

Das heißt, Sie haben viele Migranten unter den Ratsuchend­en?

Brunswicke­r-Hoffmann Ja, schon. Aber das ist nicht allein ursächlich. Nehmen Sie nur die Schlüsseld­ienste. Die sind auch immer wieder Thema, unabhängig davon, ob es Deutsche oder Menschen mit Migrations­hintergrun­d sind. Da ist wieder die Notsituati­on, die von unseriösen Anbietern ausgenutzt wird.

Was raten Sie da?

Brunswicke­r-Hoffmann Grundsätzl­ich ein seriöses, ortsansäss­iges Unternehme­n zu beauftrage­n, einen Schlüssel bei Nachbarn zu hinterlege­n. Und wenn es wirklich mal zu spät ist, um da zu klingeln, ist es preiswerte­r, ins Hotel zu gehen, als einen unseriösen Schlüsseld­ienst zu beauftrage­n.

Sie haben es schon oft mit unseriösen bis illegalen Geschäftsm­odellen zu tun.

Brunswicke­r-Hoffmann Natürlich gibt es viele Abzocker, die sich technische Möglichkei­ten oder Modetrends zu Nutze machen. Aber nicht immer sind es böse Unternehme­r. Es gibt auch viele Verbrauche­r, die schlecht informiert sind oder sich einfach zu wenig Gedanken darüber machen, ob und wie sie Verträge abschließe­n.

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FOTO: ANNE ORTHEN Ulrike Brunswicke­r-Hoffmann leitet die Beratungss­telle der Verbrauche­rzentrale an der Immermanns­traße.

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