Aufstand aus der zweiten Reihe
In der Handball-Bundesliga (HBL) greifen die TSV Hannover-Burgdorf und die MT Melsungen die scheinbar übermächtige Konkurrenz an. Gleichzeitig zeigen fast alle Titelfavoriten ungewohnte Schwächen.
HANNOVER Nicht wenige Fans dürften sich beim Blick auf die aktuelle Tabelle der Handball-Bundesliga (HBL) derzeit verwundert die Augen reiben. Weder Rekordmeister THW Kiel oder Titelverteidiger Flensburg Handewitt, noch der SC Magdeburg – vor der Saison als Geheimfavorit auf den Meistertitel gehandelt, grüßen von der Spitze. Stattdessen thront die TSV Hannover-Burgdorf ganz oben in der Tabelle.
Die „Recken“aus der niedersächsischen Landeshauptstadt haben als bislang einzige Mannschaft acht Siege auf dem Konto. Dabei schafft es das Team von Trainer Carlos Ortega immer wieder, die großen Vereine zu ärgern. Zuletzt erkämpfte es sich ein Unentschieden gegen die Rhein-Neckar-Löwen (29:29), immerhin deutscher Meister von 2016 und 2017. Das Erfolgsrezept: eine geschlossene Mannschaftsleistung gepaart mit einer exzellenten Einstellung. Die lobten die Verantwortlichen auch nach dem Spiel am Donnerstag ausdrücklich. „Die Mannschaft hat sehr gut gekämpft“, sagte Trainer Ortega. Der sportliche Leiter Sven Sören Christophersen: „Die Mannschaft hat eine tolle Moral gezeigt.“
Die hat Hannover-Burgdorf nicht zum ersten Mal in dieser Spielzeit gezeigt. Das Team gewann bereits die Duelle gegen Flensburg-Handewitt (23:22) und gegen den SC Magdeburg (31:28). Vor allem die Deckung steht sicher. „Es ist wahrscheinlich die beste Abwehr, die Hannover jemals gespielt hat“, hob Morten Olsen nach dem Flensburg-Sieg hervor. Ein weiteres Puzzlestück für den Erfolg: Die Mannschaft versteht sich auf und neben dem Platz ausgezeichnet. „Wir haben eine positive Grundstimmung in der Kabine und die überträgt sich einfach auf das Spielfeld“, erklärte Torwart Urban Lesjak.
Besonders Rechtsaußen Timo Kastening und Spielmacher Morten Olsen sind Erfolgsgaranten. Kastening hat in dieser Saison bereits 57 Tore geworfen. Olsen besticht vor allem als Vorlagengeber. Der Däne hat bereits 39 Tore direkt vorbereitet. Das sind Top-Werte in der Liga. Angeführt wird das Recken-Rudel von Kapitän Fabian Böhm. Der 30-jährige Nationalspieler ist der verlängerte Arm des Trainers.
Die einzige Niederlage gab es ausgerechnet gegen die MT Melsungen (25:31) – selbst ein großes Überraschungsteam in dieser Saison. Beeindruckend war die Reaktion der Verantwortlichen auf den ungewohnten Misserfolg. Statt sich in Ausreden zu flüchten, wurden die Fehler knallhart analysiert. „Wir haben aufgezeigt bekommen, woran wir in der Trainingswoche arbeiten müssen“, sagte Christophersen.
Die MT Melsungen performt in dieser Saison ebenfalls überdurchschnittlich, liegt zwei Zähler hinter den Recken auf Rang drei. Auch die MT stellte einigen Favoriten ein Bein. Das Team von Chef-Trainer Heiko Grimm gewann gegen den SC Magdeburg (31:29) und die Rhein-Neckar-Löwen (31:26), gegen Flensburg setzte es hingegen eine Niederlage (19:24). In der hessischen Provinz gibt man sich trotz des guten Saisonstarts weiter als Außenseiter und will die Ergebnisse nicht zu hoch hängen. „Es war klar, dass es nicht immer so weitergehen konnte wie zuletzt“, sagte Geschäftsführer Axel Geerken am Donnerstag nach dem knappen Erfolg gegen den HC Erlangen (28:27).
Bei Melsungen sorgt eine Achse der deutschen Nationalmannschaft um die Rückraumspieler Julius Kühn und Kai Häfner, Abwehr-Ass Finn Lemke und Rechtsaußen Tobias Reichmann für den Erfolg.
Im nächsten Jahr wird das Quartett noch um Torwart Silvio Heinevetter ergänzt. Der 34-Jährige, der jüngst nach 192 Länderspielen nicht mehr von Bundestrainer Christian Prokop berücksichtigt worden ist, ist im Sommer der nächste Transfer-Coup für Melsungen.
Das Überraschungsteam aus der vergangenen Saison, der Bergische HC aus Wuppertal, der als Aufsteiger auf dem siebten Tabellenplatz ins Ziel kam, kommt in diesem Jahr noch nicht ganz in Tritt. Das Team von Coach Sebastian Hinze liegt mit acht Zählern auf Platz zwölf. Am Sonntag folgte der nächste Rückschlag: Trotz lager Führg spielte der BHC am Ende unentschieden gegen Göppingen (25:25).
Bei Hannover-Burgdorf und Melsungen stimmt die Form. Die großen Meister-Favoriten straucheln. Flensburg liegt zwar auf Tabellenplatz zwei, hat allerdings bereits zwei Partien verloren. So viele waren es in der Meistersaison 2018/19 insgesamt. Die Rhein-Neckar-Löwen sind nach nur sechs Siegen Fünfter, halten aber Anschluss an die Spitzengruppe. Der SC Magdeburg liegt nur auf Rang sieben. Besser sieht es noch für THW Kiel aus. Die „Zebras“verloren bislang auch erst einmal und liegen auf dem vierten Platz – mit zwei weniger absolvierten Spielen.