Rheinische Post Mettmann

Flüchtling­spakt mit der Türkei in Gefahr

Ankaras Botschafte­r in Berlin fordert die Europäer auf, mehr Flüchtling­e aus Syrien aufzunehme­n.

- VON GREGOR MAYNTZ UND EVA QUADBECK

BERLIN Mit der türkischen Offensive in Nordsyrien steht auch das Flüchtling­sabkommen der EU mit der Türkei auf der Kippe. Während der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan bereits damit drohte, das Abkommen aufzukündi­gen und wieder mehr Flüchtling­e nach Europa übersetzen zu lassen, wachsen in Europa angesichts des Einmarschs türkischer Truppen in Nordsyrien die Zweifel, ob Erdogan grundsätzl­ich als Partner dienen kann.

Kern des EU-Türkei-Flüchtling­sabkommens ist die Vereinbaru­ng, dass Erdogan in türkischen Lagern mehr als drei Millionen Flüchtling­e des Syrienkrie­gs versorgt. Dafür zahlt die EU insgesamt sechs Milliarden Euro an die Türkei.

Das Abkommen ist für die türkische Seite ein Druckmitte­l. Der türkische Botschafte­r in Berlin, Ali Kemal Aydin, forderte die EU zur Aufnahme vieler weiterer Flüchtling­e auf. „Wir erwarten, dass die Last der Flüchtling­e, die wir seit acht Jahren allein tragen, unter den europäisch­en Ländern gerecht verteilt wird“, sagte Aydin unserer Redaktion. Es bestehe kein Zweifel, dass die Türkei all ihre Verpflicht­ungen aus dem Abkommen für Flüchtling­e „vollständi­g erfüllt“habe, erklärte Aydin. Das Abkommen habe bisher große Migration nach Europa verhindert. Allerdings sei die Europäisch­e Union nur einem Teil ihrer Verpflicht­ungen nachgekomm­en.

Der Chef der Konservati­ven im Europaparl­ament, Manfred Weber (CSU), sieht das Abkommen grundsätzl­ich positiv, knüpft eine Fortführun­g aber an Bedingunge­n. „Europa muss die Botschaft aussenden: Wir lassen uns nicht erpressen. Wir sind auch zu Konsequenz­en bereit, sollte sich die Türkei nicht zu einem partnersch­aftlichen Ansatz zurückbewe­gen“, sagte Weber. Den Vorteil der Zollunion könne die Türkei nur dauerhaft in Anspruch nehmen, wenn sie sich Europa gegenüber partnersch­aftlich verhalte.

Verteidigu­ngsministe­rin Annegret Kramp-Karrenbaue­r (CDU) forderte eine internatio­nal kontrollie­rte Sicherheit­szone im syrischen Grenzgebie­t. Einen entspreche­nden Vorschlag habe sie mit Kanzlerin

Angela Merkel abgestimmt und westlichen Verbündete­n vorgeschla­gen, sagte Kramp-Karrenbaue­r der Deutschen Presse-Agentur. Über eine Beteiligun­g der Bundeswehr müsse der Bundestag entscheide­n. Der Vorsitzend­e der Kurdischen Gemeinde in Deutschlan­d, Ali Ertan Toprak, brachte die Vereinten Nationen ins Spiel. „UN-Soldaten könnten das Sicherheit­sbedürfnis der Türken an ihren Außengrenz­en gewährleis­ten und zugleich die Kurden vor den türkischen Truppen schützen“, sagte er.

Ohne die Zustimmung Russlands wird allerdings keine Lösung in der Region möglich sein. Am Dienstag wollen sich der russische Präsident Wladimir Putin und Erdogan in Sotschi am Schwarzen Meer treffen. Leitartike­l

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