Flüchtlingspakt mit der Türkei in Gefahr
Ankaras Botschafter in Berlin fordert die Europäer auf, mehr Flüchtlinge aus Syrien aufzunehmen.
BERLIN Mit der türkischen Offensive in Nordsyrien steht auch das Flüchtlingsabkommen der EU mit der Türkei auf der Kippe. Während der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan bereits damit drohte, das Abkommen aufzukündigen und wieder mehr Flüchtlinge nach Europa übersetzen zu lassen, wachsen in Europa angesichts des Einmarschs türkischer Truppen in Nordsyrien die Zweifel, ob Erdogan grundsätzlich als Partner dienen kann.
Kern des EU-Türkei-Flüchtlingsabkommens ist die Vereinbarung, dass Erdogan in türkischen Lagern mehr als drei Millionen Flüchtlinge des Syrienkriegs versorgt. Dafür zahlt die EU insgesamt sechs Milliarden Euro an die Türkei.
Das Abkommen ist für die türkische Seite ein Druckmittel. Der türkische Botschafter in Berlin, Ali Kemal Aydin, forderte die EU zur Aufnahme vieler weiterer Flüchtlinge auf. „Wir erwarten, dass die Last der Flüchtlinge, die wir seit acht Jahren allein tragen, unter den europäischen Ländern gerecht verteilt wird“, sagte Aydin unserer Redaktion. Es bestehe kein Zweifel, dass die Türkei all ihre Verpflichtungen aus dem Abkommen für Flüchtlinge „vollständig erfüllt“habe, erklärte Aydin. Das Abkommen habe bisher große Migration nach Europa verhindert. Allerdings sei die Europäische Union nur einem Teil ihrer Verpflichtungen nachgekommen.
Der Chef der Konservativen im Europaparlament, Manfred Weber (CSU), sieht das Abkommen grundsätzlich positiv, knüpft eine Fortführung aber an Bedingungen. „Europa muss die Botschaft aussenden: Wir lassen uns nicht erpressen. Wir sind auch zu Konsequenzen bereit, sollte sich die Türkei nicht zu einem partnerschaftlichen Ansatz zurückbewegen“, sagte Weber. Den Vorteil der Zollunion könne die Türkei nur dauerhaft in Anspruch nehmen, wenn sie sich Europa gegenüber partnerschaftlich verhalte.
Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) forderte eine international kontrollierte Sicherheitszone im syrischen Grenzgebiet. Einen entsprechenden Vorschlag habe sie mit Kanzlerin
Angela Merkel abgestimmt und westlichen Verbündeten vorgeschlagen, sagte Kramp-Karrenbauer der Deutschen Presse-Agentur. Über eine Beteiligung der Bundeswehr müsse der Bundestag entscheiden. Der Vorsitzende der Kurdischen Gemeinde in Deutschland, Ali Ertan Toprak, brachte die Vereinten Nationen ins Spiel. „UN-Soldaten könnten das Sicherheitsbedürfnis der Türken an ihren Außengrenzen gewährleisten und zugleich die Kurden vor den türkischen Truppen schützen“, sagte er.
Ohne die Zustimmung Russlands wird allerdings keine Lösung in der Region möglich sein. Am Dienstag wollen sich der russische Präsident Wladimir Putin und Erdogan in Sotschi am Schwarzen Meer treffen. Leitartikel