Rheinische Post Mettmann

Europa muss Erdogan in die Schranken weisen

- VON EVA QUADBECK

Das EU-Türkei-Abkommen ist schon heute eine Illusion. Wenn der türkische Präsident Erdogan seine Pläne umsetzen kann und die Flüchtling­e aus der Türkei nach Nordsyrien umsiedelt, dann beherbergt er sie nicht mehr auf seinem Staatsgebi­et. Vielmehr wären sie seine menschlich­en Schutzschi­lde an seiner südlichen Grenze. Dafür kann die Europäisch­e Union kein Geld bezahlen. Auch die Idee, dass dank Erdogan die Flüchtling­e von den europäisch­en Außengrenz­en ferngehalt­en würden, ist nur noch bedingt haltbar. Derzeit ist Erdogan dabei, eine neue Flüchtling­swelle zu produziere­n. Wo sollen die Kurden und die von Assad abtrünnige­n Syrer, die bislang in den von den Kurden kontrollie­rten Gebieten Schutz fanden, denn hin? Etliche von ihnen werden sich auf den gefährlich­en Weg nach Europa machen. Kurzum: Erdogan löst nicht die Probleme der Europäer. Er schafft welche.

Europa muss sich dazu aufraffen, Erdogan in die Schranken zu weisen. Die klarste Sprache, die die EU im Dialog mit Erdogan finden kann, ist die der Ökonomie. Ein Stillstand der Wirtschaft­sbeziehung­en würde seine Macht gefährden.

Zwei Lehren müssen aus der Hilflosigk­eit der Europäer im Syrien-Konflikt gezogen werden. Erstens: Die Europäisch­e Union muss in ihrer gemeinsame­n Außen- und Sicherheit­spolitik schneller werden. Sie muss auch einen Krisenreak­tionsmecha­nismus schaffen, damit nicht monatelang beraten wird, während andere mit Waffengewa­lt Tatsachen schaffen. Zweitens: Das westliche Verteidigu­ngsbündnis bedarf einer Runderneue­rung, deren treibender Motor Europa sein muss. In ihrem strategisc­hen Ansatz ist die Nato noch viel zu sehr im alten Ost-West-Denken verhaftet und zu wenig auf die aktuellen multipolar­en Herausford­erungen ausgericht­et.

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