Eine Insidertour durch Oberkassel
Greeter begrüßen Gäste ihrer Stadt und begleiten sie auf einem persönlichen Rundgang abseits der üblichen Touristenpfade. Walter Heeb ist einer von ihnen.
Langsam bewegen sich die Blätter der Bonsai-Bäume im Wind, große Koi-Karpfen schweben gemächlich durch das klare Wasser eines Teiches, und ein weißer Steinpfad führt zwischen grünen Grasflächen hindurch direkt zum hölzernen Tempel. Nur wenige Meter entfernt befindet sich eine typisch deutsche Wohnsiedlung mit Doppelhaushälften und Hibiskus-Hecken, doch hier erschließt sich dem Betrachter eine Landschaft, die man so eigentlich nur aus Japan kennt.
Mein Begleiter Walter Heeb freut sich sichtlich über den überraschten Ausdruck in meinem Gesicht. „Wenn man nichts von dem Tempel weiß, dann läuft man schnell einfach daran vorbei“, sagt er mit einem Grinsen, während wir durch den Garten spazieren. Dass ich vorher noch nie etwas vom Tempelgelände des EK -Hauses in Niederkassel gehört habe, ist mir schon etwas peinlich, schließlich wohne ich bereits seit fünf Jahren in Düsseldorf. Ohne Heeb wäre ich wohl nie mit dem kleinen Stück Asien im Westen der Stadt in Berührung gekommen. Er gehört zur Gruppe der Düsseldorfer Greeter. Sie alle sind in Düsseldorf heimisch und bieten kostenlose Touren durch ihre Viertel an. So soll man nicht nur neue Ecken kennenlernen, sondern auch einen realitätsnahen Eindruck vom Leben im Stadtteil bekommen. Was im Jahr 1992 in New York begann, hat sich inzwischen zu einem weltweiten Phänomen entwickelt. 3580 registrierte Greeter in 38 Ländern gibt es aktuell. Egal, ob man gerade in Bulgarien oder Togo zu Gast ist: Überall finden sich Freiwillige, die durch ihre Nachbarschaft führen.
Doch wie der japanische Tempel zeigt, braucht man gar nicht unbedingt so weit in die Welt hinaus, um etwas Neues zu entdecken. Manchmal reicht es schon, die Rheinseite zu wechseln.
So wartet bei meiner Greeter Tour durch Ober- und Niederkassel noch die ein oder andere Überraschung auf mich. Bereits am Startpunkt an der U-Bahn Haltestelle Luegplatz, die sich nahe des Rheinufers befindet, wird der lockere Umgangston bei den sogenannten Greets deutlich. Mit ausgestreckter Hand bietet mir Heeb sofort das „Du“an. „Greets sind keine klassischen Führungen“, erzählt er. „Das Ganze soll mehr ein entspannter Spaziergang sein, bei dem man sowohl die Gegend als auch die anderen Teilnehmer kennenlernt.“Der 59-Jährige lebt seit 33 Jahren in Düsseldorf und führte schon früher gerne Geschäftskollegen von außerhalb durch die Stadt.
Entsprechend souverän werde ich von ihm durch die verschiedenen Gassen und Straßen entlang der Luegallee gelotst und dabei mit Informationen aller Art versorgt. Die sind meistens eng mit Heebs Alltagsleben verknüpft. So zeigt er mir seine Stammeisdiele Giuseppe, schwärmt von den entspannten Fahrradtouren durch den ruhigen Stadtteil und präsentiert seinen Lieblingsplatz an der Dominikanerstraße. Hier passieren wir einen unscheinbaren Kiosk, der nicht nur Eis und Bier, sondern auch ein großes Sortiment an hochwertigen Weinen im Angebot hat und treffen mitten in der Stadt auf ein Beet mit kleinen Palmen und Bananenbäumen. An der nächsten Kreuzung radelt die Schauspielerin Anna Schudt an uns vorbei, die unter anderem im Tatort mitspielt. Sie ist nicht die einzige bekannte Bewohnerin von Oberkassel: „Die Promis mögen es, hier zu leben, denn die Oberkassler sind ihre Anwesenheit gewohnt. Hier kommt keiner angelaufen und möchte ein Selfie machen“, berichtet Heeb.
Geschichtliche Hintergründe und Anekdoten gibt es auf unserer Strecke nicht allzu viele. Dennoch sind sie ein fester Teil der Tour. So führt mich der Greeter zum Beispiel zum Heiligenhäuschen, dem ältesten Gebäude in Oberkassel.
Während des Spaziergangs kommt auch immer wieder die persönliche Seite der Greets zum Tragen. Wir sprechen über private Dinge wie Familie und Arbeit und diskutieren über politische und gesellschaftliche Themen. Gerade kommunikativen und aufgeschlossenen Menschen ist diese Art der Stadtführung deswegen zu empfehlen. Wer lieber möglichst viele Sehenswürdigkeiten besuchen und dabei eine Menge Fakten sammeln möchte, der sollte dagegen auf konventionelle Stadtführungen zurückgreifen.
Ich hatte nach der zweieinhalbstündigen Tour auf jeden Fall das Gefühl, die Stadtteile Ober- und Niederkassel jetzt um einiges besser zu kennen. Und meinen Begleiter Walter Heeb auch.