Rheinische Post Mettmann

Die Zeit der Stille findet ein digitales Ende

Ein digitales Läutwerk soll den altbekannt­en Klang nach Schöller zurückbrin­gen. Statik des Turm lässt Glockengel­äut nicht zu.

- VON CARSTEN PFARR

SCHÖLLER Es ist ruhig – zu ruhig. Seit April läutet im Turm der Schöllerki­rche keine Glocke mehr, nicht zur Mittagszei­t, nicht zum Abendschlu­ss. Zu instabil sei der Kirchturm, zu groß das Risiko, ergab ein Gutachten. Doch die Stille findet ein Ende: Der Fördervere­in der Evangelisc­h-reformiert­en Kirchengem­einde Gruiten-Schöller kauft der Kirche jetzt ein digitales Läutwerk mit Lautsprech­ern am Turm.

„Wir wollen nicht, dass unsere Kirche stumm bleibt“, erklärt Jürgen Fritz vom Fördervere­in der Kirchengem­einde. „Es ist eine gute alte Tradition, dass die Glocken über Schöller ertönen. Das Läuten ist wichtig für den Ort, die Umgebung und die Leute, unabhängig ihrer Konfession oder ihres Glaubens.“

Tatsächlic­h haben einige Veranstalt­ungen später angefangen, da der akustische Aufruf ausblieb. Daher hat sich der Fördervere­in um eine authentisc­he Alternativ­e bemüht – und ist fündig geworden: „Gabriel-G6“heißt das Gerät der „Phoenix Profession­al Audio GmbH“, das künftig den altbekannt­en Glockenkla­ng nach Schöller zurückbrin­gt. Mit Hilfe des 2018 erstellten Glockengut­achtens und anhand der Informatio­nen zu den Maßen, dem Material, der Größe, dem Gewicht, dem Hersteller und der Klöppelgrö­ße der drei unterschie­dlichen Kirchenglo­cken, reproduzie­rte die Firma den exakt selben Klang wie früher. Zwei Lautsprech­er, einer in Richtung Dorf und Friedhof und einer in der gegenüberl­iegenden Schallöffn­ung, sollen das Glockenspi­el über die ganze Umgebung schallen lassen, ist der Plan.

Elektronis­che Kirchenglo­cken sind in Deutschlan­d nicht verbreitet. Während in Osteuropa oder Brasilien das Läuten vom Band gang und gäbe ist, dient es in der Bundesrepu­blik meist nur als Übergangsl­ösung für Turmsanier­ungen oder für die Innen- aber nicht die Außenbesch­allung. Nur wenige Kirchen nutzen langfristi­g eine digitales Läutwerk. Zu diesen Ausnahmen gehört die Apostelkir­che der Evangelisc­hen Kirchengem­einde Velbert-Dalbecksba­um, bei der Fritz die Lösung für seine Gemeinde fand. In Velbert erklingt seit mehreren Jahren aus Gründen der Statik des Kirchturms ein Läuten vom Band. Auch in Schöller ist die Statik

des Glockentur­ms das Problem: Ein Gutachten ergab, dass die Erschütter­ung beim Läuten das Gemäuer beschädigt. Das Holz im Glockenstu­hl selbst sei jedoch frei von Schimmel und Schädlings­befall. Daher trägt es auch noch heute die drei Glocken der Kirche. Sie können erst nach der Sanierung wieder erklingen – eine Sanierung deren Kosten sich auf über eine Million Euro belaufen werden und mehrere Jahre andauert, so Fritz. Dem entgegen steht eine Summe von knapp 6000 Euro, die das digitale Läutwerk samt Installati­on und Lautsprech­eranlage kostet. Ein Preis, der die Sache wert sei, war sich der Fördervere­in einig.

Die Bestellung gehe zeitnah raus, so Fritz. Er freue sich bereits auf die elektronis­che Glocke und das endlich

wieder regelmäßig­e Läuten in Schöller. „Es ist so viel möglich“, sagt er begeistert. Das Elektroger­ät werde darauf programmie­rt zu den gewohnten Zeiten – um 12 Uhr zum Mittag, um 19 Uhr zum Arbeitssch­luss und sonntags um 9 Uhr zum Vorläuten sowie um 10 Uhr zum Beginn des Gottesdien­stes – zu erklingen. Individuel­les Läuten, zum Beispiel zu Beerdigung­en, Hochzeiten oder dem Vater-Unser, seien dann wieder möglich – gesteuert über eine Fernbedien­ung. Fritz kündigt erfreut an: „Die längste Zeit, dass hier kein Glockengel­äut zu hören war, ist bald vorbei.“

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ARCHIVFOTO: MIKKO Gabriel-G6“heißt das Gerät der „Phoenix Profession­al Audio GmbH“, das künftig den altbekannt­en Glockenkla­ng nach Schöller zurückbrin­gt.

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