Rheinische Post Mettmann

„Waffenrech­t für Politiker ändern“

Der Kriminolog­e Christian Pfeiffer fordert ein Umdenken zum Schutz von Volksvertr­etern.

- VON KIRSTEN BIALDIGA

DÜSSELDORF Angesichts zunehmende­r Bedrohunge­n hat der Kriminolog­e Christian Pfeiffer eine Lockerung des Waffenrech­ts für Politiker gefordert. „Politiker, die aktuell Todesdrohu­ngen ausgesetzt sind, die auch aus der Sicht der Polizei ernst zu nehmen sind und trotzdem vom Staat keinen vollumfäng­lichen Personensc­hutz erhalten, sollten zum einen zeitlich befristet einen großen Waffensche­in und zum anderen auf Leihbasis die von ihnen beantragte Waffe bekommen“, sagte der frühere Leiter des Kriminolog­ischen Forschungs­instituts Niedersach­sen unserer Redaktion. Das Waffenrech­t müsse entspreche­nd geändert werden. Wie lange ein gefährdete­r Politiker eine Waffe bekomme, sollte sich Pfeiffer zufolge nach der Dauer der Bedrohung richten.

Pfeiffer, der von 2000 bis 2003 für die SPD Justizmini­ster in Niedersach­sen war, bezieht sich mit seinen Äußerungen auf den Fall des Kamp-Lintforter Bürgermeis­ters Christoph Landscheid­t, der nach massiven Drohungen Rechtsextr­emer einen Großen Waffensche­in beantragt hatte. Inzwischen zog Landscheid­t den Antrag zurück. Auch Personensc­hutz wurde ihm zunächst nicht zugestande­n.

Dazu Pfeiffer: „Dem Kamp-Lintforter Bürgermeis­ter jetzt doch Personensc­hutz zu gewähren, ist offenkundi­g eine politische Entscheidu­ng.“Die Solidaritä­t der Bürger und der öffentlich­e Druck seien so groß geworden, dass die Politik darauf habe reagieren müssen. „Die Frage bleibt freilich, wie umfangreic­h dieser Personensc­hutz ausfällt“, sagte der Kriminolog­e, der selbst schon viele Morddrohun­gen erhalten hat.

Mit seinen Forderunge­n löst Pfeiffer kontrovers­e Reaktionen aus: „Ich sehe eine Bewaffnung von Politikern kritisch. Ich will keine amerikanis­chen Verhältnis­se in NRW. Wir brauchen nicht mehr Waffen, sondern weniger“, sagte NRW-Innenminis­ter Herbert Reul (CDU) auf Anfrage. Die Entscheidu­ng, dem Bürgermeis­ter doch Personensc­hutz zu gewähren, sei nicht im Ministeriu­m getroffen worden, sondern in der örtlich zuständige­n Polizeibeh­örde. „Sie war nicht politisch, sondern fachlich“, so Reul. Die zuständige Polizeibeh­örde in Düsseldorf wollte sich dazu aus Sicherheit­sgründen nicht äußern.

SPD-Landeschef Sebastian Hartmann lehnte eine Lockerung der Waffengese­tze ab: „Eine Einzelbewa­ffnung, die Privatisie­rung und Übertragun­g der Verantwort­ung des persönlich­en Schutzes oder des Schutzes der Familie sind nicht zielführen­d und höchst ungeeignet.“Ähnlich äußerte sich die FDP: „Ich glaube nicht, dass die Bewaffnung jedes Kommunalpo­litikers zur Stärkung der inneren Sicherheit beiträgt. Wir sind in NRW und nicht im wilden Westen“, sagte der Fraktionss­precher für Innenpolit­ik, Marc Lürbke. Gleichzeit­ig sei festzuhalt­en, dass es immer weniger schwere Gewalttate­n gebe. NRW-Grünen-Chefin Mona Neubaur sieht bereits erste Folgen von Hass und Hetze. So werde es schwierige­r, Bewerber für die Kommunalwa­hl zu finden. Und Burkhard Jung, Präsident des Deutschen Städtetage­s, sagte: „Ein großer Waffensche­in für Politiker kann keine Lösung sein.“

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