Wurde Meghan aus dem Land getrieben?
Prinz Harry ist am Dienstag im kanadischen Vancouver angekommen, wo er seine Frau Meghan und Baby Archie wiedersah. Derweil debattiert Großbritannien über den Megxit – und Rassismus.
LONDON Während die Familie Sussex in Übersee weilt, steht daheim im Königreich der Rassismus-Vorwurf im Raum: Der entscheidende Grund für Prinz Harry, Großbritannien den Rücken zu kehren, heißt es, sei die rassistische Behandlung gewesen, die seiner Frau Meghan widerfuhr.
Rebecca Long-Bailey, die sich um den Vorsitz der Labour-Partei bewirbt, hat da keine Zweifel. „Ein junges Paar wird aus dem Land gehetzt durch die aufdringliche und rassistische Berichterstattung einer reaktionären Presse“, sagte die 40-Jährige: „Farbige Frauen im öffentlichen Leben sind Mobbing, Schikane, Verachtung und Verleumdungen ausgesetzt – und sollen dann noch dankbar sein, dass sie überhaupt beachtet werden.“Rachel Boyle, die an der Edge Hill Universität über Ethnizität forscht, sagte: „Meghan willigte ein, Harrys Frau zu werden, und dann hat die Presse sie in Stücke gerissen. Lasst uns das beim Namen nennen: Es ist Rassismus.“
Jetzt entbrennt im Königreich eine Debatte über Diskriminierung und darüber, ob das Land wirklich so rassistisch ist. Tatsächlich gab es von rechter Seite einige massive Ausfälle in dieser Richtung – vor allem aber in den sozialen Medien. Jo Marney, die Partnerin des Ex-Vorsitzenden der Ukip-Partei, Henry Bolton,
hatte auf Twitter schwadroniert, dass Meghan „mit ihrer Saat“die Königliche Familie „beschmutze“. Eine Neonazi-Gruppe nahm den Ball auf und bezeichnete Harry als einen „Rasse-Verräter“, der erschossen gehöre. Und ein BBC-Radiomoderator verbreitete bei Twitter ein Bild von Harry, Meghan und einem Affen und bezeichnete ihn als Royal Baby. Der Mann wurde entlassen.
In den traditionellen Medien finden sich gewisse Chiffren, mit denen in manchen Gazetten auf Meghans Hautfarbe angespielt wurde. Das fing mit ihrer „exotischen“Erscheinung an, ging mit der Erwähnung ihrer Mutter, die von Sklaven abstamme, weiter und und hörte mit der Erwähnung nicht auf, dass Meghan „schwierig“sei. Unterschwellig schwingt mit, dass sie nicht so recht in die Königliche Familie passt. „Dieser hinterhältige, subtile Unter-dem-Radar-Rassismus“, schäumte die Kolumnistin Natalie Morris, „ist typisch britisch – und so schwer zu bekämpfen.“
Zweifellos bekommt Meghan eine schlechte Presse. Die linksliberale Zeitung „Guardian“hat das kürzlich statistisch belegt. Die Berichterstattung über sie seit Mai 2018 wurde untersucht – Ergebnis: Mehr als doppelt so viele Geschichten waren negativ. Viele sehen zudem eine Diskriminierung darin, dass an Meghan als Tochter einer schwarzen Afro-Amerikanerin viel strengere Maßstäbe angelegt werden als an Kate. Denn die Herzogin von Cambridge, die Ehefrau von Prinz William, darf sich über eine überwiegend positive Berichterstattung freuen – nur acht Prozent der Geschichten über sie waren im gleichen Zeitraum negativ.
Aber eine schlechte Presse bedeute doch nicht, dass die Medien rassistisch wären, widersprach Schauspieler Laurence Fox in der Sendung „Question Time“. „Wir sind das toleranteste, wunderbarste Land in Europa.“Und in der Tat zeigen eine Reihe von soziologischen Studien, dass das Königreich immer progressiver und liberaler wird.
Der „British Social Attitude Survey“, der die sozialen Einstellungen seit mehr als 30 Jahren verfolgt, kann belegen, dass auf Hautfarbe basierende Vorurteile in den vergangenen Jahren drastisch abgenommen haben. Das „Oxford Migration Observatory“meldet, der Widerstand gegen Immigration liege auf dem niedrigsten Stand seit Jahrzehnten.
Auch die Kolumnistin Libby Purves wendete sich gegen den Vorwurf des Rassismus. „Sicherlich, wir haben unsere Fanatiker, die Moscheen zerstören und verbotene Parolen schreien, um anständige farbige Bürger vor den Kopf zu stoßen“, schrieb sie. „Aber ebensowenig wie Mörder und Einbrecher uns zu einer kriminellen Nation machen, können Strolche und unverschämte Lümmel uns zu einem rassistischen Land machen.“
Dass die kleine Familie auch in Kanada wohl nicht unbehelligt leben wird, steht jetzt schon fest. Anwälte haben britische Medien vor der Verwendung von Paparazzi-Fotos gewarnt. Bei einer Veröffentlichung würden rechtliche Schritte eingeleitet. Es soll sich um Fotos handeln, die von Meghan und dem kleinen Archie am Montag heimlich bei einem Ausflug auf Vancouver Island gemacht worden seien. Dafür hätten sich Fotografen im Gebüsch versteckt.
„Dieser hinterhältige, subtile Unter-demRadar-Rassismus“
Natalie Morris
Kolumnistin