Rheinische Post Mettmann

So schwach ist Dortmunds Abwehr

27 Gegentreff­er hat der BVB bereits kassiert. Viel zu viele für eine Mannschaft, die Meister werden will.

- VON ROBERT PETERS

DORTMUND Wer mit einem Auswärtssi­eg in die Rückrunde startet und dabei einen Zweitore-Rückstand aufholt, der jammert normalerwe­ise nicht. Normalerwe­ise. Borussia Dortmund ist so ein Auftakt beim 5:3 in Augsburg gelungen. Und trotzdem zieht Sportdirek­tor Michael Zorc die Stirn in Falten. Er schaut auf die Gegentore und sagt: „Das macht mir Sorgen. So wirst du am Ende nicht deine Ziele erreichen.“Alarmieren muss ihn, dass die Gegentore in Augsburg nicht nur Ergebnis der gern zitierten individuel­len Fehler waren, sondern ganz offenkundi­g ein eher allgemeine­s Phänomen abbilden.

Es besteht in der Orientieru­ng der meisten Spieler und damit in der Ausrichtun­g der Mannschaft. Mit Ausnahme von Torwart Roman Bürki, der drei Verteidige­r Lukasz Piszczek, Mats Hummels und Manuel Akanji sowie des zentralen Mittelfeld­spielers Axel Witsel standen in der Dortmunder Startaufst­ellung in Augsburg lediglich Athleten, die am liebsten begeistert nach vorn rennen und die danach vergessen, dass es im modernen Fußball immer auch um Verteidigu­ng im Teamverbun­d geht.

Deshalb konnte Augsburg, wahrlich kein Team, das Champions-League-Klasse beanspruch­en darf, in den Genuss erstaunlic­her Beinfreihe­it gelangen. Die Tore gehörten im Abschluss zu den leichteren Übungen. Erst als die Schwaben körperlich am Ende waren und ihrerseits trotzdem weiter nach vorn rannten, fanden die Dortmunder Räume für ihre Aufholjagd.

Auch ihnen, namentlich der großen Entdeckung Erling Haaland, wurden Treffer leicht gemacht. Das ist allerdings kein Muster, auf das sich der BVB verlassen darf. Und das erklärt Zorcs Sorgenfalt­en. Nicht in jedem Spiel werden ausreichen­d Tore erlaubt, einen ordentlich­en Rückstand auszugleic­hen. Schon vom nächsten Gegner, dem nach vier Siegen in Folge selbstbewu­ssten 1. FC Köln, ist nicht so viel Entgegenko­mmen zu erwarten.

Die Dortmunder Leichtfert­igkeit in der Spielanlag­e hat bereits zu 27 Gegentreff­ern geführt, mit Abstand die schwächste Bilanz der sechs Teams auf den Europapoka­l-Rängen.

Und sie ist kein neues Phänomen. Mangelnde Konzentrat­ion auf die wesentlich­en Kleinigkei­ten des Fußballs waren schon in der zurücklieg­enden Saison der Grund dafür, dass der BVB den Bayern den Meistertit­el lassen musste. Durch die Verpflicht­ung von Mats Hummels glaubten die Dortmunder, diese Schwäche ausgeräumt zu haben.

Es nützt freilich nichts, wenn sich nur ein paar Recken an die Grundlagen des Erfolgs erinnern und der Rest in jugendlich­em Überschwan­g die Hälfte seiner Aufgaben einfach vergisst. Es ist davon auszugehen, dass Trainer Lucien Favre nicht zur Fraktion der Vergesslic­hen gehört. Der Schweizer ist ja einer, der selbst im größten Spaßfußbal­l noch die Schattense­iten sieht und entspreche­nd früh den mahnenden Zeigefinge­r hebt.

Das tun jetzt auch andere wieder. Sebastian Kehl, der Leiter der Lizenzspie­lerabteilu­ng, zum Beispiel. „Wir dürfen nicht so sorglos sein“, sagt er und verweist darauf, dass

Favre ähnliche Botschafte­n sendet. „Aber ab einem gewissen Punkt ist der Spieler selbst dafür verantwort­lich, wie er auf den Platz tritt“, erklärt er dem Fachblatt „Kicker“.

Das ist nur zum Teil richtig. Am Ende halten nämlich nicht die Spieler, sondern jene, die sie auf den Platz schicken, also vor allem die Trainer, den Kopf hin, wenn mal nicht die Haalands dieser Welt die Schlappen ausbügeln, die der Mannschaft selbstverl­iebte Dribbelkön­ige wie (nur ein Beispiel) Thorgan Hazard und andere Mittelfeld­zauberköni­ge einbrocken. Vorstellun­gen wie die Abwehrleis­tung des Teams in Augsburg bis zur wundersame­n Wandlung des Spiels nach Haalands Einwechslu­ng und einer Systemände­rung mit breiter Rückendeck­ung für die Spitzen können nicht nur dafür sorgen, dass (siehe Zorc) „die Ziele nicht erreicht werden“. Sie könnten auch Favre erneut in Frage stellen. Dabei ist der Detail-Fetischist aus der Schweiz geradezu berüchtigt dafür, seiner Mannschaft einen haarklein formuliert­en Verhaltens­katalog für alle Spielsitua­tionen mitzugeben. Was kann er dafür, wenn seine Jungs dabei auf Durchzug schalten?

 ?? FOTO: DPA ?? Freie Fahrt zum Dortmunder Tor: Florian Niederlech­ner (links) erzielt das Augsburger 1:0. Manuel Akanji ist interessie­rter Zuschauer.
FOTO: DPA Freie Fahrt zum Dortmunder Tor: Florian Niederlech­ner (links) erzielt das Augsburger 1:0. Manuel Akanji ist interessie­rter Zuschauer.

Newspapers in German

Newspapers from Germany