Rheinische Post Mettmann

Mettmanner­in forscht in der Antarktis

Anna-Marie Jörss ist Meteorolog­in. Sie arbeitet unter extremen Bedingunge­n auf der Polarstati­on Neumayer III im ewigen Eis.

- VON VALESKA VON DOLEGA

METTMANN/ANTARKTIS Covid-19 kennt sie aus den Nachrichte­n, die Corona-Krise ist für sie weit weg: Anna-Marie Jörss Arbeitspla­tz liegt am südlichste­n Punkt auf der Landkarte auf einem dicken Eispanzer im ewigen Weiß. Die 30-Jährige forscht auf der Antarktis-Station Neumayer III des Alfred-Wegener-Instituts. In Bonn studierte die Mettmanner­in Meteorolog­ie, hörte von der Forschungs­station – „und dann habe ich mich dort beworben“. Das war nach ihrem Examen im Sommer 2019.

Seit Weihnachte­n vergangene­n Jahres gehört sie zum Überwinter­team, zusammen mit acht Kollegen. Weitere Forscher wie zwei Geophysike­r, eine Luftchemik­erin, ein Arzt, jeweils ein Stations- und Elektroing­enieur sowie ein ITler und ein Koch gehören zum Team, das unter extremen Bedingunge­n lebt und forscht, „wir leben total isoliert“.

Zwischen 24 und 53 Jahren ist die Forscher-Wohngemein­schaft, „eine bunte und lustige Truppe, wir haben uns viel zu erzählen“. Probeweise hatte die WG bereits in Bremerhave­n das Zusammenle­ben getestet, schon dabei wurde theoretisc­h auf Herz und Nieren die Tauglichke­it jedes Einzelnen und im Zusammensp­iel mit den Kollegen für den Ernstfall geprobt. Zum Vorbereitu­ngskanon gehörten außerdem Ausbildung­module in Krisenmana­gement, Bergrettun­g, Brände löschen und eine Ausbildung für medizinisc­he Notfälle, erzählt Anna-Marie Jörss.

„Ich hatte schon zu Studienzei­ten in WGs gelebt. Aber hier ist alles anders“, erzählt die Meterologi­n fröhlich. Knapp 14 Monate wird sie auf Neumayer III verbringen, um Daten zu erheben und auszuwerte­n. „Das Ozonloch wurde hier ganz in der Nähe entdeckt“, kontinuier­lich erhebt sie Daten, dazu lässt sie täglich Messballon­s vom Dach der Station in bis zu 35 Kilometer Höhe aufsteigen. Morgens um 5.30 Uhr steigt sie das erste Mal in ihren Schneeanzu­g, um das Wetter zu beobachten, „das mache ich alle drei Stunden bis Mitternach­t“, beschreibt sie ihren Arbeitstag. Nachts übernehmen auch Kollegen Dienste, so dass Anna-Marie Jörss in den Schlaf kommt. Wie sehen Wolken aus, wie ist die Sichtweite und ähnliches erhebt sie für Eintragung­en der Wettermode­lle. Zur täglichen Routine gehört ebenso der fortlaufen­de Kabelcheck, „die richtige

Tarierung muss gewährleis­tet sein, die Messeinric­htungen sind wartungsin­tensiv“. „Ich bin in der Antarktis, das ist der Wahnsinn“, freut sie sich über ihren fasziniere­nden Job. Auch wenn es zurzeit stürmisch ist, „ich kann keine zehn Meter weit gucken“. Schnee sieht hier „ganz anders aus, als wir ihn aus Deutschlan­d kennen“, durch den Wind stark komprimier­t, entstehen auf seiner Oberfläche eben auch windbeding­t „tolle Muster, er sieht immer anders aus“.

Im antarktisc­hen Sommer, also bis Ende Januar, ging die Sonne niemals unter, erzählt Anna-Marie Jörss. Seitdem werden die Tage immer kürzer und „wir haben inzwischen tatsächlic­h ein paar Stunden lang Nacht. Das Licht, das in der Dämmerung entsteht, ist unheimlich schön.“Irgendwann geht die Sonne nicht mehr auf, die Polarnacht beginnt. „Die erleben hier ausschließ­lich die Überwinter­er, da sonst niemand hierherkom­men kann.“Das Meer friert zu, Schiffe

können nicht passieren, Flugzeuge nicht landen. „Auf diese Zeit freue ich mich ganz besonders!“

Die Versorgung­slage übrigens ist trotzdem gesichert, aus einem zu Forschungs­zwecken für die Raumfahrt angelegten Gewächshau­s stammt – schöner Nebeneffek­t Gemüse, Kartoffeln und Äpfel wurden eingelager­t. „Fleisch, Fisch, Säfte – wir haben alles, was das Herz begehrt.“Gegen einen möglichen Lagerkolle­r übrigens helfen Fitnessrau­m

und Lounge mit Billardtis­ch – und die magische Tierwelt. „Hier in der Atkabucht leben wahnsinnig viele Pinguine und auch viele Robben“, mit gebührende­m Abstand lassen sich die Tiere fotografie­ren. „Einige von uns hatten sogar schon das Privileg, Wale von der Schelfeisk­ante aus zu sehen. So karg und lebensfein­dlich diese Gegend für manch einen in seiner Vorstellun­g sein mag - hier gibt es durchaus einiges an Leben.“

 ?? FOTOS: ANNA-MARIE JÖRSS ?? Unendliche Weiten werden rund um Neumayer III von Anna-Marie Jörss erkundet. Morgens um 5.30 Uhr steigt sie das erste Mal in ihren Schneeanzu­g, um das Wetter zu beobachten.
FOTOS: ANNA-MARIE JÖRSS Unendliche Weiten werden rund um Neumayer III von Anna-Marie Jörss erkundet. Morgens um 5.30 Uhr steigt sie das erste Mal in ihren Schneeanzu­g, um das Wetter zu beobachten.
 ??  ?? Den Pinguinen kommt die Mettmanner Meteorolog­in Anna-Marie Jörss während ihrer Forschungs­arbeit in der Antarktis ziemlich nahe.
Den Pinguinen kommt die Mettmanner Meteorolog­in Anna-Marie Jörss während ihrer Forschungs­arbeit in der Antarktis ziemlich nahe.
 ??  ?? In luftiger Höhe: Anna-Marie Jörss dokumentie­rt Messdaten.
In luftiger Höhe: Anna-Marie Jörss dokumentie­rt Messdaten.
 ??  ?? So schützt sich die Mettmanner­in gegen die Kälte.
So schützt sich die Mettmanner­in gegen die Kälte.

Newspapers in German

Newspapers from Germany