Zahnärzte müssen Infizierte behandeln
Auch in den Zahnarztpraxen sind Schutzkleidung und Desinfektionsmittel knapp. Doch selbst mit Corona infizierte Patienten dürfen die Mediziner nicht ablehnen. Und diese befürchten, dass viele Betriebe schließen werden müssen.
DUISBURG/WUPPERTAL Nur noch knapp 20 sogenannter FFP2-Masken hat Petra Koch vorrätig, also die Sorte Atemschutzmaske, die besonders vor einer Übertragung des Coronavirus Sars-CoV-2 schützen soll. Und das auch nur, weil die Duisburger Zahnärztin diese bereits im Januar vorsichtshalber bestellt hat. „Als ich von den ersten Meldungen in China hörte, habe ich mich sofort darum gekümmert, weil mich das an den Sars-Erreger im Jahr 2003 erinnert hat“, sagt Koch.
Sie selbst trägt diese Schutzmasken aber nicht, sondern gibt sie stattdessen ihren Mitarbeitern. „Ich habe schließlich auch eine Verantwortung für die Gesundheit meines Teams“, sagt sie. Wie lange der Vorrat noch reicht, weiß sie nicht genau. „Wenn ich sie tragen würde, bräuchte ich zwei pro Tag.“Für ihren eigenen Schutz trägt sie Handschuhe, eine einfachere Maske und eine Art Schutzhelm. Obwohl die Viren direkt im Rachenraum sitzen und durch die Aerosole (Stäube, die bei Zahnbehandlungen entstehen können) übertragen werden können, fürchtet sich Koch nicht vor einer Ansteckung. Das sei Berfusrisiko, sagt sie. „Nach jeder Behandlung wird sofort alles im Raum desinfiziert“, sagt sie.
Landesweit klagen Zahnärzte über den Mangel an Schutzausrüstung und Desinfektionsmitteln. „Wir sind verpflichtet, trotz des hohen Risikos weiter zu behandeln“, sagt Koch. Selbst bestätigte Corona-Patienten dürften nicht abgelehnt werden und müssten selbst dann behandelt werden, wenn es keine Schutzkleidung mehr gebe. Nämlich dann, wenn Lebensgefahr für den Patienten besteht. Dabei spiele der Standort der Praxis eine zentrale Rolle. „In der Stadt kann ich den Betroffenen noch an ein Krankenhaus überweisen, auf dem Land ist das nicht ohne Weiteres machbar.“Und dann reiche theoretisch schon ein Abszess, damit ein Patient behandelt werden müsse.
Sorgen darüber, wie es mit der zahnärztlichen Grundversorgung weitergeht, macht sich auch ein Wuppertaler Zahnarzt, der anonym bleiben will. Zwar ist die Behandlung in seiner Praxis erst einmal gesichert, weil auch er schon vor der Corona-Krise größere Mengen an Schutzmaterialien bestellt hat. Doch bei der Versorgung von infizierten oder bereits an Covid-19 erkrankten Menschen fühlt er sich von der Kassenzahnärztlichen Vereinigung (KZV) Nordrhein alleine gelassen. Er habe zwei Atemmasken
der Schutzklasse FFP 2 für 22 Euro das Stück bestellt, die seien jedoch noch nicht bei ihm angekommen. „Und sie schützen auch nur für einen Tag, danach sind sie durchfeuchtet und unbrauchbar“, sagt er. Käme nicht mehr Material, müsste er Covid-19-Patienten bei Kollegen unterbringen, die aber vor ähnlichen Problemen stehen. „Aus meiner Sicht haben Kammer und KZV versagt, weil die Organisation nicht funktioniert“, erklärt der Zahnarzt. Er befürchtet, dass immer mehr Praxen schließen, weil ihnen die Schutzkleidung ausgeht beziehungsweise mit wegbrechenden Patientenzahlen die Betriebskosten zu hoch werden. In einer Stadt wie Wuppertal ohne zahnärztliche Klinik sei damit möglicherweise an einem gewissen Punkt die zahnärztliche Grundversorgung gefährdet.
Diesem Eindruck widerspricht die KZV Nordrhein vehement. „Die Versorgung in der Fläche ist sichergestellt“, sagt Verwaltungsdirektor Frank Brüsch. Einzelne Praxen wären höchstens in Folge von Quarantänemaßnahmen geschlossen, ansonsten würde flächendeckend gearbeitet. Sollte das irgendwann tatsächlich nicht mehr der Fall sein, würde ein Notfallplan greifen. Bei der Schutzkleidung habe die KZV, nachdem von der Bundesregierung nichts kam, selbst Quellen aufgetan und Material besorgt, das zum Selbstkostenpreis an die Ärzte abgegeben werde. „Natürlich verfügen wir nur über ein gewisses Kontingent“, sagt Brüsch. Jeder Zahnarzt könne bestellen, verteilt werde gleichmäßig, die Nachfrage sei hoch. Brüsch: „Wir versuchen zudem permanent, weitere Quellen aufzutun.“Denn für Zahnärzte gilt eine Behandlungspflicht, die infizierte Patienten mit einschließt. „Oberste Priorität haben natürlich der Schutz des Patienten und des Arztes“, sagt Brüsch. Dafür müssten die Zahnärzte je nach Behandlung selber sorgen.
Seit 1990 führt Petra Koch ihre Zahnarztpraxis in Duisburg-Neudorf nun schon. In den 30 Jahren habe sie nicht ansatzweise so eine berufliche Krise erlebt wie jetzt. „Wegen des Coronavirus’ habe ich Mitarbeiter in Kurzarbeit geschickt, der Betrieb läuft jetzt schon nur noch auf 50 Prozent“, sagt sie. Sie möchte das nicht als Jammern verstanden wissen, sondern als reine Feststellung. „Gerade auch junge Kollegen, die einen dicken Kredit am Hals haben, stehen jetzt vor Existenzsorgen.“Wer keine privaten Reserven habe, werde große Probleme bekommen. Denn die Kosten für den Betrieb steigen und laufen weiter. „Vorher habe ich für eine Maske 30 Cent gezahlt, jetzt sind es 12,50 Euro.“Wenn sie denn noch welche geliefert bekommt.