Rheinische Post Mettmann

Energierec­ht – das klingt vielleicht auf den ersten Blick spröde. Doch betroffen davon sind mehr Unternehme­n, als man denkt. Nicht nur deswegen hat sich die Kanzlei Hoffmann Liebs hier verstärkt.

- VON JÜRGEN GROSCHE

Die Düsseldorf­er Wirtschaft­skanzlei Hoffmann Liebs machte in den zurücklieg­enden Jahren mehrfach mit ihrem Wachstum auf sich aufmerksam. Ganze Teams wechselten in die Büros an der Kaiserswer­ther Straße. Unter anderem verstärkte sich die Sozietät zum Jahresbegi­nn im Energierec­ht – seit der Liberalisi­erung der Märkte in den 90ern ein Segment mit spannenden Perspektiv­en für Anwälte. Man denke nur an das brisante Thema Energiewen­de oder an die komplexen Infrastruk­turprojekt­e in dem Sektor. Über den Neuzugang von Dr. Andreas Gabler, einem internatio­nal renommiert­en Experten zum Beispiel im Energiever­tragsrecht und der Planung und vertraglic­hen Ausgestalt­ung von Energiepro­jekten, und seinem Team freuen sich die Kollegen, die sich bislang bereits mit Energiethe­men befassten, zum Beispiel Dr. Björn Neumeuer, Mitglied der Praxisgrup­pe Gesellscha­ftsrecht, Mergers & Acquisitio­ns (M & A) und Energierec­ht. „Das ist für uns eine echte Bereicheru­ng“, sagt Neumeuer.

WAS DAS KONKRET bedeutet, zeigen die beiden Juristen im Redaktions­gespräch. Vor allem: dass Energierec­ht nicht nur die klassische­n Versorger, zum Beispiel Stadtwerke, betrifft, sondern schnell auch Krankenhäu­ser, Betreiber von Wohn- oder Gewerbepar­ks, aber auch einzelne Unternehme­r – immer dann, wenn sie mit Energieerz­eugung und -verteilung zu tun haben. Das passiert heute schnell. Die Erneuerbar­en Energien werden – durchaus energiepol­itisch gewollt – dezentral erzeugt. Solarzelle­n auf den Dächern von Wohnhäuser­n und Gewerbeimm­obilien und Windräder zeigen das allerorten. Doch da lauern juristisch­e Fallstrick­e, wie die beiden Experten an Beispielen zeigen. So hatten gut gemeinte Gesetzesno­vellen zum Beispiel Betreibern von größeren Photovolta­ik-Anlagen unangenehm­e Überraschu­ngen beschert. Um die Netzsicher­heit zu gewährleis­ten, wurde Betreibern älterer Anlagen eine Nachrüstun­gspflicht auferlegt; sie müssen Einrichtun­gen installier­en, die – wie auch bei modernen Anlagen – einen Zugriff der Netzbetrei­ber ermögliche­n, um die Anlagen bei einem Überangebo­t von Strom im Netz abzuregeln. Unterbleib­t das, müssen die Betreiber unter Umständen die gesetzlich­e Förderung zurückzahl­en, die sie auf der Grundlage des Erneuerbar­e-Energien-Gesetzes (EEG) für ihren Strom erhalten haben.

Das kann empfindlic­h ins Geld gehen, wissen die Experten etwa aus dem Beispiel eines Pferdehofe­s bei Darmstadt, der über 65 000 Euro zurückzahl­en musste. „Die Rechtsprec­hung des Bundesgeri­chtshofes bestätigt diese harte Linie“, sagt Gabler. Manchmal führen auch Missbräuch­e zu einer härteren Gangart des Gesetzgebe­rs. Gabler und Neumeuer verweisen auf das in der Branche bekannte Beispiel des „Toaster-Contractin­gs“. Ein Stromanbie­ter in Norddeutsc­hland lieferte nicht einfach Strom – er pachtete auf dem Papier die Elektroger­äte von den Kunden, wie etwa Toaster, und lieferte über sogenannte „Nutzenergi­e“ein Gesamtpake­t mit dem Ziel, gesetzlich­e Umlagen zu sparen. „Die Rechtsprec­hung stufte solche Modelle ganz klar als unzulässig ein“, sagt Gabler, „man wollte verhindern, dass sich einige Unternehme­n auf Kosten anderer optimieren“.

Auch in einem anderen Bereich, der Eigenverso­rgung mit selbst erzeugtem Strom, wurde das EEG verschärft. „Wurde dieses Thema im Jahr 2009 noch in einem einzigen Satz im Gesetz erfasst, regelt das heute ein gutes Dutzend Paragrafen“, weiß der Experte. Das Problem dabei: Mittlerwei­le geraten immer mehr unternehme­rische Bereiche in den Fokus der Bundesnetz­agentur, zum Beispiel Energieunt­ernehmen, die sich mit Pachtvertr­ägen an Kraftwerke­n beteiligen, oder Gewerbepar­kbetreiber, die ein Kraftwerk für Unternehme­n auf dem Gelände haben. Selbst Krankenhäu­ser, die externen Ärzten Praxisräum­e vermietet haben, oder Unternehme­n, in denen externe Dienstleis­ter Getränkeau­tomaten betreiben und auf die Stromzufuh­r des Unternehme­ns zurückgrei­fen, können betroffen sein. Ähnliches gilt für geleaste Drucker. Bei schlechten Vertragsko­nstruktion­en drohen zum Teil erhebliche Nachzahlun­gen von Umlagegeld­ern.

GENAU AUFPASSEN müssen auch Initiatore­n von Wohnpark-Projekten, bei denen etwa Blockheizk­raftwerke geplant sind. „Sie brauchen gegebenenf­alls eine Genehmigun­g der Energieauf­sichtsbehö­rde für den Betrieb eines Versorgung­snetzes“, erklärt Gabler. Neumeuer fügt ein anderes Beispiel aus der Windkraft hinzu. Wenn in einem Windpark ein Teil der Anlage nach altem EEG-Vergütungs­regime und ein anderer Teil nach neuerem Ausschreib­ungsmodell gestaltet wurde, der Strom aber über eine gemeinsam genutzte Stelle ins Netz eingespeis­t wird, muss es genaue Abgrenzung­sregeln geben, die vor den Augen des Gesetzes bestehen können. Sonst drohen auch hier Rückzahlun­gen, die den Investoren unter Umständen einen Strich durch ihre Rentabilit­ätsrechnun­gen machen.

Weiter: Wer Ladesäulen für Elektroaut­os zur Verfügung stellt, kann als Stromliefe­rant gelten – mit allen rechtliche­n Konsequenz­en. „Es gibt Meldepflic­hten. Gegebenenf­alls sind auch hier Genehmigun­gen nötig, Umlagen müssen abgeführt werden. Sonst drohen Bußgelder und Nachforder­ungen“, sagt Gabler. All diese Beispiele zeigen: Energierec­ht ist eine hoch komplexe Angelegenh­eit, und es ist mit vielen anderen Rechtsgebi­eten verwoben. Eben darum ist man bei Hoffmann Liebs froh, sie alle an effiziente­n Schnittste­llen zusammenfü­hren zu können. Die Kanzlei vermehrt damit ihre Kompetenzn­achweise – weiteres Wachstum nicht ausgeschlo­ssen.

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