„Ohne Sport würde ich wahnsinnig werden“
Der 36-Jährige ist durch die Coronavirus-Pandemie in doppelter Zwangspause: als Handballer und als Lehrer.
RATINGEN/SOLINGEN Die Coronavirus-Pandemie hat den Sport zum Erliegen gebracht, zudem wurden unter anderem Schulen geschlossen. Einer, den das direkt doppelt trifft, ist Alexander Oelze: als Handballer des Regionalligisten SG Ratingen und als Vertretungslehrer der Hauptschule „Zum Diek“in Haan. Wie verbringt der 36-Jährige nun seine Tage?
„In der Regel stehen wir jetzt so um acht, halb neun auf und frühstücken in Ruhe. Und dann geht es auch meistens schon mit dem Sport los“, skizziert Oelze den Start in den Tag. Er hat sich bei „Plus D Sports“Gewichte und Hanteln ausgeliehen, die er mit Freundin Laura Sosnierz, die ebenfalls Handballerin und Lehrerin ist, im heimischen Garten in Solingen nutzen kann. Kniebeugen, Ausfallschritte, Rudern, Bankdrücken, Übungen für Bauch und Rücken – ein Ganzkörperprogramm halt. Sohn Mikkel hat Platz zum Handball- oder Fußballspielen. „Das ist schon super, dass wir den eigenen Garten hier haben“, sagt Oelze, der weiß, dass dieses Glück längst nicht alle haben.
Der Garten macht allerdings auch Arbeit. „Die letzten Tage haben wir Unkraut gezogen, Sträucher geschnitten, den Rasen gemäht und im Baumarkt Pflanzen gekauft“, berichtet Oelze. Unter die Rosenzüchter, wie es sein Ex-Trainer Alfred Gislason tat, bevor er zum Bundestrainer berufen wurde, ist er aber noch nicht gegangen: „Das ist eher die Baustelle meiner Freundin, ich helfe da nur.“
Mittags kocht das Paar, das sonst im Schulalltag dazu nicht kommt, „überraschenderweise“, wie Oelze sagt, „richtig gesund mit viel Gemüse, Salat, Reis und Nudeln. Sonst sind wir unter der Woche mittags nicht zu Hause, jetzt gibt es jeden Tag ein leckeres und gesundes Mittagessen.“Anschließend gibt es ein wenig Ruhe, bevor es an die Hausaufgaben von Mikkel geht. Der Neunjährige hat von der Grundschule einen Wochenplan bekommen, den es abzuarbeiten gilt, rund eine Stunde dauert das an den Wochentagen.
Nachmittags geht es dann wieder raus, fahrradfahren oder laufen.
„Wir wohnen in der Nähe der Solinger Trasse, das ist dafür echt cool“, sagt Oelze. „Da ist eine Strecke 14 Kilometer lang, da kann man mit dem Fahrrad ordentlich strampeln.“Dann stehen noch Arbeiten in und am Haus an oder Kontaktpflege mit Freunden via Telefon, Facetime oder Skype, auch für Mikkel: „Für ihn ist es wichtig, dass er weiter auch Kontakt mit Gleichaltrigen haben kann“, sagt sein Vater. Nach dem Abendessen endet der Tag mit Spielen wie Uno oder Monopoly oder einem Familienfilm.
So strukturiert-entspannt das alles klingt – für Oelze ist in diesen Tagen klar: „Ohne Sport würde ich wahnsinnig werden. Das hilft gerade extrem.“Er hat sich selber einen Fitnessplan zusammengestellt, nutzt aber auch unter anderem den Youtube-Kanal von Benny Daser vom Kooperationspartner der SG Ratingen, dem HC Düsseldorf, der dort handballspezifisches Training anbietet: „So kann ich mich nicht nur um die Ausdauer kümmern, sondern auch Intervall- oder Bergsprints oder Trainingssprünge machen.“So kommt er auf fünf- bis sechsmal Sport pro Woche. „Durch die Arbeit habe ich sonst weniger Zeit für Laufund Krafteinheiten, vielleicht bin ich nach der Pause ja fitter als zuvor“, sagt Oelze lachend.
Wie lange die Pause indes wird, ist aktuell die große Unbekannte. Denn auf Dauer sind solche Tage wie derzeit auch nur zur Überbrückung geeignet, bevor es wieder um Punkte und Siege geht. „Natürlich fehlt mir der Handball“, sagt Oelze, der 13 Jahre lang Profi war. „Das Spiel generell, aber auch, die Jungs zu sehen und mit ihnen in der Kabine zu quatschen.“Die gemeinsame WhatsApp-Gruppe lindert das nur bedingt, ebenfalls nur wenig hilfreich sind Videos von Spielen der aktuellen Saison der Handball-Bundesliga, die Oelze aufgezeichnet hat und von denen er sich ab und zu eines ansieht. „Da mache ich mir auch Gedanken über Spielzüge
oder darüber, wie ich als Trainer spielen lassen würde“, sagt der 36-Jährige, der früher nie Trainer werden wollte, weil ihm das mitunter unstete Leben als Profi-Coach nicht zusagt. Mittlerweile kann er sich aber vorstellen, es nach der aktiven Karriere außerhalb des Profibereichs als Trainer oder Co-Trainer zu versuchen, um etwas aus seinem Erfahrungsschatz weiterzugeben.
Was in diesen Überlegungen mitschwingt: Oelze ist zufrieden in seinem Beruf als Lehrer, und so sagt er auch: „Mir fehlt der Unterricht mit den Schülern auch, ich sehe die schon gerne. Wir haben auch eine Klassen-WhatsApp-Gruppe, wo wir Kontakt halten. Die Aufgaben bis zu den Osterferien habe ich ihnen letzte Woche rausgeschickt, wenn sie Fragen haben, können sie sich melden, ihre Eltern auch.“Nach einer Pause ergänzt Oelze lachend: „Ich glaube aber, den Lehrern fehlt der Unterricht mehr als den Schülern.“Das ist anzunehmen.