Selbst entscheiden!
Ich bin 79 Jahre und stimme den Gedanken von Thomas Geisel zu. Man kann nicht auf längere Zeit fast das gesamte Leben aller Menschen mit allen seinen Facetten dem Schutz einer durchaus verletzbaren Gruppe unterordnen. Jeder, der einen lieben Freund oder Angehörigen verliert, wird trauern, egal, wie alt er oder sie war. Ich habe mehrere Bekannte, die über 90 sind, und ich freue mich sehr, dass es sie gibt. Aber jeder muss sterben und im höheren Alter rückt der Zeitpunkt unweigerlich näher, und es besteht doch eine sehr große Gefahr auch durch andere Krankheiten! Deshalb bin ich der Meinung, dass man es den eher Gefährdeten selber überlassen muss, wie viele Kontakte sie zulassen. Die Schlussfolgerungen, zu denen der OB bei seinem „Innehalten“kommt, sind für mich nicht nachvollziehbar. Ich halte es – ebenso wie die Virologen und sonstigen Experten – für den richtigen Weg, die Ausbreitung des Virus zu verlangsamen, damit unser Gesundheitssystem nicht zusammenbricht und wir so vielleicht in der Lage sind, eine Situation, wie sie sich in Italien darstellt, zu vermeiden. Es geht selbstverständlich um „Leben und Tod“. Ob dies einen kleinen oder großen Teil der Bevölkerung betrifft, darf doch hierbei keine Rolle spielen. Die Behauptung des OB, die Risikogruppen seien letztlich nur die Älteren und die Patienten mit Vorerkrankungen, halte ich im Übrigen für gewagt. Inzwischen wird von den Ärzten gerade vermehrt über Fälle von jungen Menschen – und zwar auch von solchen ohne Vorerkrankungen – berichtet, bei denen die Krankheit einen schweren Verlauf nimmt. Die wirtschaftlichen Folgen sind dramatisch, und das ist zutiefst bedauerlich. Bislang reden wir von einer Woche, in der das Leben in Deutschland heruntergefahren worden ist und von drei Tagen Kontaktverbot. Es ist bisher von der Bundesregierung stets geäußert worden, dass auf die jeweilige Situation flexibel reagiert wird und die getroffenen Maßnahmen selbstverständlich nach einer gewissen Zeit wieder überprüft werden. Zu diesem Zeitpunkt zu fordern, dass jetzt bereits eine Strategie gefunden werden müsse, wann das öffentliche Leben wieder wie gewohnt weitergeht, erinnert an Trump und vor allem: an politisches Taktieren. werden müssen. Vergessen wir also den Beitrag des Oberbürgermeisters. Erwähnenswert ist noch, dass nach meinem Kenntnisstand zum ersten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland Maßnahmen zum Schutz einer Risikogruppe getroffen wurde. Damit wird dem Egoismus einzelner eine klare Absage erteilt.
Kampf Jung gegen Alt auf. Derartige Töne wurden jüngst vom Tübinger Bürgermeister Olaf Palmer ebenfalls geäußert. Doch eine solch unsolidarische Ansicht hätte ich bei einem führenden Mitglied der SPD und dem Oberbürgermeister der siebtgrößten Stadt Deutschlands nicht für möglich gehalten. Er sollte aber bedenken, dass er mit seinen 56 Jahren ebenfalls schon zur Risikogruppe gehört. Vielleicht geht sein populistischer Schachzug im Vorfeld des kommunalen Wahlkampfs für ihn ja nach hinten los, und er muss einem jüngeren Kollegen weichen. für wenig gefährdete Gruppen für möglich hält.