Rheinische Post Mettmann

„Leere Straßen sind etwas geisterhaf­t“

Der Intendant der Philharmon­ie spricht über seine Eindrücke aus Köln.

- VON STEPHAN EPPINGER Louwrens Langevoort

Wie erleben Sie Köln in Zeiten von Corona?

Leer, würde ich sagen. Auch bei uns im Betrieb arbeiten jetzt viele von zu Hause. Ich komme immer noch ins Büro, da ich nicht weit weg von der Philharmon­ie wohne. Wenn ich dorthin gehe, erlebe ich leere Straße, das ist schon etwas geisterhaf­t. Aber ich habe auch Kontakt zu Venedig, da hat das Ganze noch einmal eine ganz andere Dimension.

Was sind für Sie als Intendant der Philharmon­ie jetzt die Herausford­erungen?

Langevoort Zum einen geht es um den Spirit in der Belegschaf­t. Wir können jetzt einen Monat oder länger nichts machen und müssen jetzt unsere ganze Energie auf eine weiter entfernte Zeit richten. Die brauchen wir auch dann, wenn wieder alles vorbei ist und es wieder losgeht. Mir ist wichtig, dass sich jeder Mitarbeite­r wohlfühlt und entscheide­n kann, ob er im Büro oder von zu Hause arbeiten möchte. Beim Publikum funktionie­rt jetzt alles nur über das Netz. Wir bieten Streamings von alten Konzerten an, die auch rege genutzt werden. Bei der Johannespa­ssion vom vorletzten Sonntag haben sich das in der ersten Woche mehr 230.000 Leute angeschaut, solche Zahlen gab es noch nie. Direkt am Sonntag sahen es 180.000 Menschen live. Das zeigt das Bedürfnis der Menschen nach Musik. Sie gibt Menschen die Ruhe und die Chance sich auf das Wesentlich­e zu konzentrie­ren.

Wie sind die Auswirkung­en der Krise für Ihr Haus?

Langevoort Das ist für uns eine finanziell­e Katastroph­e. Wir haben kein Publikum, keine Vermietung­en und damit auch keine Einnahmen. Bei Konzerten, die abgesagt werden müssen, kann das Publikum den Eintritt zurückerst­attet bekommen oder für einen Fonds für in Not geratene Künstler spenden. Schwer ist das Ausmaß jetzt zu bestimmen, da wir nicht wissen, wie lange die Krise dauert. Bis Ende April haben wir schon mehrere 100.000 Euro Verlust. Wir hoffen jetzt auch auf die Unterstütz­ung von Stadt, Land und Bund sowie von den Stiftungen, die uns schon Unterstütz­ung zugesagt haben. Es braucht jetzt Solidaritä­t, damit das Leben weitergehe­n kann – jetzt und nach der Krise.

Wie sieht aktuell Ihr Berufsallt­ag aus?

Langevoort Ich komme morgens in die Philharmon­ie und bin schon um 19 Uhr wieder raus. Die Konzerte abends fallen ja weg. Wir müssen jetzt auch planen, wie wir Kosten einsparen können, um gut durch die Krise zu kommen. Aber ich bin Optimist und arbeite mit meinem Team an der Zukunft. Die kommenden Spielzeite­n müssen ja schon jetzt geplant werden. Wir planen mit allen, die mit uns planen möchten – mit den Künstlern und mit Komponiste­n, denen wir jetzt schon Aufträge vergeben.

Was macht Ihnen Hoffnung, was bereitet Ihnen Sorge?

Langevoort Sorge macht mir, dass es immer noch Leute gibt, die den Ernst der Lage nicht verstehen und die sich weiter zu Partys treffen. Die Jugend sagt, ich kriege es ja eh nicht, aber durch ihr Verhalten sind sie eine Gefahr für Risikogrup­pen. Sorgen macht mir auch, was da gerade Schrecklic­hes in Italien passiert, Hoffnung macht dagegen, dass es aktuell in China keine Neuinfekti­onen gibt. Man kann die

Krise bewältigen.

Wie wird diese unsere Gesellscha­ft verändern?

Langevoort Ich hoffe, dass wir für die finanziell­en Folgen nicht Jahre lang büßen müssen. Gut ist, dass jetzt eine Solidaritä­t aufkommt, die man lange vermisst hat. Egal ob Flüchtling­e, Kranke oder Alte – wir sind eine Gesellscha­ft.

Wie gehen Sie privat mit der Bedrohungs­lage um?

Langevoort Ich halte Abstand und gehe nicht aus. Bei der Arbeit bin ich alleine im Büro, das Vorzimmer ist nicht besetzt. Es gibt aber auch Vorteile, wenn man zu Hause ist. Man kann lesen oder auch einmal in Ruhe gemeinsam kochen.

 ?? FOTO: JÖRN NEUMANN ?? Louwrens Langevoort ist der Intendant der Kölner Philharmon­ie. In seinem Haus ist wegen der Corona-Krise derzeit kein Spielbetri­eb möglich. Im Interview spricht er über die Folgen.
FOTO: JÖRN NEUMANN Louwrens Langevoort ist der Intendant der Kölner Philharmon­ie. In seinem Haus ist wegen der Corona-Krise derzeit kein Spielbetri­eb möglich. Im Interview spricht er über die Folgen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany