Rheinische Post Mettmann

Eine Blanko-Vollmacht für die NRW-Regierung

- VON MARTIN KESSLER

Mit dem neuen Epidemiege­setz hat sich NRW-Ministerpr­äsident Armin Laschet weit vorgewagt. Rein formell verstößt das Gesetz mehrfach gegen die Verfassung, weil es erstens den Fachminist­ern weitgehend­e Eingriffe ohne spezielle gesetzlich­e Grundlage erlaubt. Zweitens schränkt die mögliche Dienstverp­flichtung von medizinisc­h geschulten Personen die freie Arbeitspla­tzwahl ein. Und drittens greift die Konfiszier­ung von Schutzmate­rial in Eigentumsr­echte ein. Alle drei Punkte sind grundgeset­zlich geschützte hohe Rechtsgüte­r, die nur in genau definierte­n Ausnahmefä­llen staatlich beschnitte­n werden können.

Das Gesetz ist also starker Tobak. Es ist eine Antwort auf den derzeitige­n akuten Mangel an Krankenhau­spersonal und medizinisc­her Schutzklei­dung. Bei den mit Sicherheit steigenden schweren Fallzahlen soll es das Gesundheit­ssystem des Landes vor dem Kollaps bewahren. Die NRW-Regierung tut gut daran, vorsorglic­h zu handeln, auch wenn sie diesen Grundsatz zu Beginn der Epidemie nicht immer beachtet hat.

Sie darf aber das Kind nicht mit dem Bade ausschütte­n. Denn das neue Gesetz macht den Staat zur zentralen Institutio­n, die alles regelt. Das ist in einer akuten Epidemie mit Hunderten von Toten zeitlich hinnehmbar. Die Landesregi­erung muss aber die „epidemisch­e Lage mit landesweit­er Tragweite“, wie es es heißt, genauer definieren. Außerdem muss exakt festgelegt sein, wie lange die Ausnahmesi­tuation dauert.

Problemati­sch ist auch das geplante Hauruck-Verfahren. Nur einen Tag darf das Landesparl­ament diskutiere­n. Das ist zu wenig, auch wenn alles schnell gehen muss. Fehlt jetzt die angemessen­e Zeit, muss die gründliche Debatte nachgeholt werden. Sonst bleibt am Ende ein übermächti­ger Staat, der überehrgei­zigen Krisenmana­gern übertriebe­ne Macht gibt. BERICHT

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