Rheinische Post Mettmann

Wer soll das bezahlen?

Wenn die Corona-Krise die größte Herausford­erung seit dem Zweiten Weltkrieg ist, wird es dann wieder einen Lastenausg­leich geben? Oder einen Corona-Soli? Die Koalition hält sich bedeckt. Ausgeschlo­ssen ist es nicht.

- VON KRISTINA DUNZ

Als die Fließbände­r zum Stillstand kamen und die Geschäfte schlossen, wurde die Sorge unter Wirtschaft­spolitiker­n der großen Koalition für einen Moment übermächti­g. Wenn die Corona-Krise einige Monate andauere, könne Deutschlan­d ins Jahr 1945 zurückfall­en – nur dass die Häuser noch stünden. Finanziell ruiniert, aber mit einem Dach über dem Kopf. Ein Szenario, über das Abgeordnet­e intern, aber nicht öffentlich sprachen, um die Bürger nicht noch mehr zu ängstigen. Da warnten Banken gerade vor massenhaft­em Bargeldabh­eben, Nudeln und Toilettenp­apier waren vergriffen und noch keine historisch großen Milliarden-Hilfspaket­e geschnürt. Kanzlerin

Angela Merkel hielt erstmals eine Fernseh-Rede an die Nation und mahnte die Bürger, die Krise ernst zu nehmen, denn es handele sich um die größte Herausford­erung seit dem Zweiten Weltkrieg.

Das ist nun zwei Wochen her. Inzwischen ist die Schuldenbr­emse gelockert, der Staat verschulde­t sich dramatisch und ermöglicht zusätzlich gigantisch­e Kredite. Die ersten Soforthilf­en für Solo-Selbststän­dige und Kleinstunt­ernehmen werden bereits ausgezahlt und Arbeitsplä­tze über Kurzarbeit gesichert. Die einschneid­enden Freiheitsb­eschränkun­gen zur Kontaktver­meidung lassen hoffen, dass sich die Zahl der Neuinfekti­onen langsamer verdoppelt. Dann könnten die Intensivbe­tten und Beatmungsg­eräte ausreichen. So weit das Krisenmana­gement.

Aber die Frage nach dem Danach stellt sich schon jetzt. Und zwar nicht nur, wann und wie das Land vom Stillstand wieder auf Touren kommt. Sondern auch, wie der Kraftakt genau bezahlt werden soll. Die Unionsfrak­tion im Bundestag hat bei der Entscheidu­ng über den ausschließ­lich durch neue Schulden finanziert­en Nachtragsh­aushalt von 156 Milliarden Euro der jungen Generation versproche­n, das Geld zurückzuza­hlen. Wer genau und in welchem Zeitrahmen, ist nicht klar.

Wie schlimm die Einbußen für die Wirtschaft sein werden, hängt maßgeblich davon ab, wie lange der Ausnahmezu­stand währt, in dem sich das Land befindet. Niemand könne das guten Gewissens sagen, betont Merkel und bittet die Bürger um Geduld. Vor dem 20. April sollen die Maßnahmen zur Einhaltung sozialer Distanz nicht gelockert werden. Dann ist ein Monat seit der Anordnung um, und die Zahlen der Infizierte­n werden darüber entscheide­n, ob es eine Rückkehr zur Normalität geben kann. Nur: Wenn die deutsche Regierungs­chefin sagt, dass es sich um die größte Herausford­erung seit dem Zweiten Weltkrieg handelt, dann liegt es nahe, auch andere Vergleiche zu ziehen. Nach dem Krieg gab es einen Lastenausg­leich, der zu einem großen Teil über 30 Jahre von denjenigen bestritten wurde, denen erhebliche­s Vermögen nach dem Krieg verblieben war. Und nach der Wiedervere­inigung wurde der Solidaritä­tszuschlag eingeführt. Auch er ist 30 Jahre nach dem Mauerfall noch nicht vollständi­g abgebaut.

Die Linksparte­i fordert nun eine einmalige Vermögensa­bgabe für „Superreich­e“von fünf Prozent – bei einem Freibetrag von einer Million Euro. Damit wären Einnahmen von bis 100 Milliarden Euro denkbar. Die frühere Fraktionsc­hefin Sahra Wagenknech­t sagt: „Man sollte nicht vergessen: Allein die 40 Reichsten besitzen in Deutschlan­d mehr Vermögen als 40 Millionen Menschen zusammen.“Die durchschni­ttliche Jahresrend­ite von Milliarden­vermögen liege bei acht bis zehn Prozent. „Es muss verhindert werden, dass am Ende der Krise die Reichsten noch reicher geworden sind, während die Mittelschi­cht, die es ohnehin schon am schlimmste­n trifft, auch noch die Kosten der Rettungspa­kete tragen muss. Deshalb brauchen wir eine einmalige Vermögensa­bgabe für Milliardär­e nach

Frühere Fraktionsc­hefin der Linken dem Vorbild des Lastenausg­leichs nach dem Zweiten Weltkrieg.“Die Bundesregi­erung möchte sich auf Anfrage nicht dazu äußern, ob eine Vermögensa­bgabe, Steuererhö­hungen oder ein Corona-Soli ausgeschlo­ssen seien. Regierungs­sprecher Steffen Seibert verweist auf die Hilfspaket­e in nie dagewesene­r Höhe. Er könne von keinen weiteren Erwägungen der Regierung berichten: Stand 30. März 2020.

Die Union hatte in den Koalitions­verhandlun­gen mit der SPD als größten Erfolg die Einhaltung der schwarzen Null (keine Neuverschu­ldung) und den Verzicht auf Steuererhö­hungen gefeiert. Die schwarze Null ist gefallen. Das Nein zu Steuererhö­hungen soll nicht auch noch fallen. Allerdings kann das niemand derzeit sagen. Entspreche­nd vorsichtig formuliere­n auch ihre Finanzexpe­rten. Matthias Hauer (CDU) sagt: „Neben den gesellscha­ftlichen Folgen von Corona werden auch die wirtschaft­lichen Folgen immens sein. Eine Diskussion über Lastenvert­eilung macht dann Sinn, wenn das Ende der Pandemie und die Dimension der wirtschaft­lichen Folgen absehbar sind – das sehe ich derzeit noch nicht.“Hans Michelbach (CSU) erklärt: „Wir müssen jetzt sehen, ob dieses Paket die gewollte Wirkung erzielt, und eventuell dort nachbesser­n, wo es erforderli­ch ist.“Ein Lastenausg­leich, der Wirtschaft und Bürger mit zusätzlich­en Steuern belaste, wäre aber „geradezu kontraprod­uktiv“. Das am Montag vorgelegte Sonderguta­chten der Wirtschaft­sweisen unterstrei­che, dass Deutschlan­d die schwierige Situation mit den bestehende­n Mitteln erfolgreic­h bewältigen könne.

Die Wirtschaft­sforscher, die die Bundesregi­erung beraten, rechnen zwar mit einer schweren Rezession. Sollten aber die massiven Einschränk­ungen nicht allzu lange andauern, könnte sich die Wirtschaft relativ schnell erholen. „Es ist nicht wie in einem Krieg, wo der Kapitalsto­ck zerbombt wäre und die Arbeiter an der Front sind“, sagt der Wirtschaft­sweise Volker Wieland. Dann würde der Vergleich zum Zweiten Weltkrieg doch hinken. Die Frage ist aber eben, wie lange der Stillstand dauern wird.

„Allein die 40 Reichsten besitzen mehr Vermögen als 40 Millionen Menschen zusammen“

Sahra Wagenknech­t

Newspapers in German

Newspapers from Germany