Fußballgucken kann noch wichtig werden
Rund 1,8 Millionen Menschen haben am Samstag zwischen 18.20 und 20 Uhr das Erste eingeschaltet. Es lief eine Wiederholung. Warum also schalteten 1,8 Millionen ein? Weil es Fußball zu sehen gab. Deutschland gegen Italien. EM 2016. Das Interesse verdeutlicht: Die Sehnsucht nach Deutschlands größtem Unterhaltungsprogramm, der Fußball-Bundesliga, ist schon nach drei Wochen erzwungener Enthaltsamkeit groß. Und deswegen ist die Frage, ab wann der Ball wieder rollt, eben doch eine wichtige in diesen Zeiten. Keine mit oberster Priorität, aber eine, die den gesellschaftlichen Kitt in womöglich langen Monaten der Ausgangsbeschränkungen tangieren kann.
Der Fußball ist nicht systemrelevant, wenn es aktuell um die gesundheitliche und gesamtwirtschaftliche Sorge in diesem Land geht. Und die Verfassung der Bundesrepublik kennt auch kein Grundrecht auf Fußballgucken. Aber je länger Menschen zu Hause bleiben sollen, desto mehr muss für die politischen Entscheider auch die Frage an Relevanz gewinnen, wie man die Bevölkerung auf dem verordneten Pandemie-Bekämpfungs-Kurs hält, also „bei Laune“. Denn je besser die Stimmung ist, desto bereitwilliger akzeptiert der Mensch Einschränkungen. Gutes Essen, gute Filme, Frühling auf dem Balkon oder im Garten – momentan gewinnen Erlebnisse an Wert, die selbstverständlich erschienen. Fußball zu gucken, passt genau da hinein.
Alle haben nach dem Geisterspiel zwischen Mönchengladbach und Köln lamentiert, ohne Fans sei es nicht dasselbe. Jetzt würden viele schon allein die Aussicht auf eine Rückkehr einer Geisterspiel-Liga feiern. Als Zieldatum in einer Zeit, in der vielen Ziellosigkeit zunehmend zu schaffen macht.
So könnte der Fußball zu einem vertretbaren Zeitpunkt und mit strengen Schutzmaßnahmen einen wichtigen Teil zur Erhaltung des Systems beitragen. Nicht, weil er sich wichtiger nimmt als alle anderen, sondern weil er vielen anderen gut tun könnte.